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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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Er zog wieder das vorgespieltängstliche Gesicht, als wäre das etwas, das Bray wiedererkennen würde.
    »Komm, komm – es war von vornherein als Einparteienstaat geplant, immer wieder hast du davon geredet, vom – wie hast du’s genannt …?«
    »Baby-Parlament«, Shinza schnappte die Phrase auf und ließ sie – mit einem Lächeln – distanziert stehen.
    »Baby-Parlament – das ist es – das Baby-Parlament, von dem die Schwarzen glauben, es sei eine Ausgabe von Westminster in der eigenen Heimat, sollte in diesem Staat keine Zeit und kein Geld verschwenden.«
    »Natürlich, und ich hatte verdammt recht, Mann. Und jetzt würde es deinem Bürschchen so passen, wenn ich mir irgendeinen Phantasienamen aussuchen und eine Opposition gründen würde, damit ihm alle Leute aus seiner Umgebung, vor denen er Angst hat, auf dem Präsentierteller serviert werden – eine nette, harmlose kleine Oppositionspartei, die man dann bei der Wahlmit dem Einheit-heißt-Stärke-Gerede, das ich ihm beigebracht habe, schlagen kann. Oder damit er seine Jungpioniere dazu bringt, daß sie die Wähler zusammenschlagen – das sieht immer noch besser aus, als wenn man sich gegen Leute wendet, die die PIP gemacht und ihn ins Gouverneurshaus gebracht haben, ja? – Warum stehen wir eigentlich?« Er warf die saubere Wäsche auf den Tisch – ausgebleichte karierte Hemden, grob gesäumte Laken, die auf einem häßlichen braunen Sofa ausgebreitet lagen, und räkelte sich in sorgloser Wohligkeit, wobei er seinen Hals zurückbog und das Kinn wie ein Mann, dem bewußt wird, daß er sich nicht rasiert hat, vorstreckte.
    Es gab so viele Wege, auf denen sie an diesem Punkt hätten ankommen können. Bray hatte nur gewußt, daß man sich ihm durch Schichten und Schichten vergangener Bündnisse, gegenwärtiger Befangenheit, halbintimer Trivialitäten nähern mußte, mit denen ein Verstand den anderen umkreiste, bevor man sich darauf einigte, auf welcher Ebene man diesmal dem jeweils anderen gegenüber offen sein würde. Aber sie hatten im Blitztempo alle Versuchsstadien auf einmal hinter sich gebracht; nichts stand zwischen ihnen, kein Schutzwall. Sie hätten den Mund aufmachen und aus dem Nichtgesagten heraus reden können, wie jemand in einen dunklen Raum hineinredet. Bray sagte: »Vom Tag meiner Ankunft an habe ich versucht, mit ihm zu reden. Ich dachte, falls ihr beide nicht miteinander auskommt, könntest du vielleicht eine Zeitlang zu den Vereinten Nationen gehen.«
    Shinza beobachtete ihn aus einer Art dünnen, leicht bitteren Amüsements über ein Schauspiel heraus, das aufhörte von Bedeutung zu sein, eine Figur, die ihren Mund bewegte, der aber der Ton abgedreht worden war. »O ja, die Vereinten Nationen«, sagte er freundlich.
    Bray setzte sich aufs Sofa.
    Shinza lächelte ihm weiterhin nachsichtig zu.
    Es war eine kraftvolle Gleichgültigkeit, keine energielose. Ein Löwe fixiert keinen Gegenstand mit seinem Blick, schnappt nichtnach Fliegen. Alter Shinza. Aber er ist überhaupt nicht alt, vieroder fünfundfünfzig, etwa ein Jahr älter als ich. Bray war sich der Kraft von Shinzas Brust bewußt, die sich hob und senkte, der kräftige Nacken, der in der Wärme ein bißchen glänzte – der Körper eines Mannes, nicht eines Greises, obwohl das Gesicht schon seit Jahren von der komplizierten Geheimschrift der Erfahrung und des Alkohols gezeichnet war.
    »Ich hatte den Eindruck, zwischen euch gibt es Dinge, von denen ich nichts wissen sollte.«
    »Natürlich, James, natürlich. Wie sonst hätte Mweta es erklären können? Natürlich; schreckliche Dinge …« Er begann zu lachen und legte seine Hand auf Brays Knie. »Er wollte mich nicht in seiner Nähe haben. Das ist alles. Es klingt so idiotisch, ja, wie hätte er dir denn erklären können, ich will Shinza nicht. Ich-will-Shinza-nicht. Shinzas großes schwarzes Gesicht in den Zeitungen. Shinza, der im Kabinett sein großes Maul aufreißt. Shinza, der Fragen stellt, wenn ich mit den Bergwerksgesellschaften meine Geschäfte mache. Mit den Briten. Den Amerikanern. Den Franzosen. Warum. Wie. Wieviel.
Und für wen
. Besser, er hat den Mr. Soundso, den jungen Engländer, der um ihn herumspringt und ihn abschleckt, man bezahlt ihn, er macht Männchen, und das wär’s auch schon. Kein Shinza, der irgendwelche verdammten Fragen stellt. Früher, da hat er mich immer gefragt, was für Fragen er stellen soll. Jetzt ist er’s, der Antworten geben muß.«
    »Leuten das Maul stopfen?« Plötzlich eröffnete

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