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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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mehr verspürt hatte, seit er ein Halbwüchsiger gewesen war.
    Aber das war er nicht mehr; er küßte den Mund und streichelte die Haut mit dem Geschick der Erfahrung, stand auf, um sich zu vergewissern, daß Kalimo nicht im Haus war, und um die Türen abzusperren, stand einen Augenblick lang da und sah auf den schwach schimmernden Umriß des Körpers hinunter, den er aus den ihn verhüllenden Kleidern befreit hatte, das Urbild, zugleich vertraut und ein Wunder. Er dachte noch daran, sie zu fragen, ob es sicher sei, und in der Dunkelheit sagte die Stimme: »Nein«, ihm vertrauend. Er begann sie zu lieben, sie begannen einander leidenschaftlich zu lieben, und während ihm sein Körper davonraste, dachte er – unglaublich – an Shinza. Shinzas zuversichtliches Lächeln, Shinzas kräftige, nackte Füße, Shinza, wie er in dem nach Baby riechenden Raum Zigarren geraucht hatte, Shinza. Shinza. Er entlockte ihr einen kleinen Schrei des Triumphes; und noch einmal.
    Sie tastete in der Dunkelheit nach ihren Kleidern und ging ins Badezimmer, um sich anzuziehen. Bei Licht sprangen ihn wieder das Sofa an, der Tisch voller ungeordneter Papiere, das Bücherbord mit seinem Durcheinander an Büchern, die alle auf einem Regalbrett beisammen lagen, der Stapel mit den Rechnungen und die Ersatzbirnen. Eine Kakerlake lief unter den Teppich. Er zog Hose und Hemd an und ging in die Küche, um Wasser für Drinks zu holen. Aber sie kam heraus und sagte leise, nüchtern: »Was ist mit deinem Boy? Ich verschwinde besser.« Sie meinte, daß der Diener die Dunkelheit und die versperrte Tür vielleicht schon bemerkt hatte; wenn jetzt jemand sie sah, würde er sich aus den ungewöhnlichen Umständen wohl einen Reim machen.
    Sie war weg, bevor es die Notwendigkeit irgendeiner Zärtlichkeit gab, einer Änderung in ihrer Beziehung als Fremde. Sie war hinunter durch den Garten und, so vermutete er, quer durch das Buschwerk verschwunden. Er hörte die Hunde bellen, sie war schon zu Hause. Es fiel ihm ein, daß er sie geliebt hatte, ohne ihr Gesicht gesehen zu haben. Er war wieder allein in dem stillen Haus; und nun erinnerte er sich daran, daß es Kalimos freier Abend für den Kirchgang war; ansonsten hätte der alte Mann so leicht kommen und an die Haustür klopfen können. Der Mond war aufgegangen und schien auf die Bücher, die er im Garten gelassen hatte, wie auf die Grabsteine in einem Friedhof.
    Er klopfte den Bashi-Staub aus seinem Koffer und legte wieder ein paar Dinge hinein. Er versuchte eine Telefonverbindung mit Roly Dando zu bekommen, aber nach einer Stunde rief die Vermittlung zurück und teilte ihm mit, daß der Teilnehmer nicht abhebe. Er nahm eine Lampe und wechselte am Wagen einen abgefahrenen Reifen. Fliegende Ameisen kamen zum Licht und warfen ihre Flügel wie Flocken ab. Der Geruch seines Schweißes lag in der Luft und, während er arbeitete, sehr schwach jener andere Geruch. Er duschte sich und empfand gegen zehn Uhr einen Heißhunger und stellte sich ein seltsames Mahl aus all den Überbleibseln vergangener Mahlzeiten zusammen, die Kalimo im Eisschrank gehortet hatte. Er brach früh auf, erhob sich vorTagesanbruch. Die Vögel erfüllten die Bäume von Gala noch nicht mit ihrem Leben, aber die Hauptstraße war nicht ganz leer. Ein alter Mann ruhte sich auf den Stufen zum Postamt aus, seine Tagesreise hatte bereits begonnen, und zog sich geduldig einen Sandfloh aus dem großen Zeh.
    Am nächsten Tag kam Bray zur Mittagszeit in der Hauptstadt an und fuhr nicht zu Dando, sondern direkt zum Silver Rhino und nahm sich dort ein Zimmer. »Kein Problem«, sagte Margot Wentz trocken und stieß, Schlüssel in der Hand, die Türen zu leeren Zimmern und Rondavels für ihn auf, damit er sich eins aussuche.
    »Selbstverständlich wird das Geschäft wieder anziehen, es wird wieder anziehen.« Hjalmar Wentz erwartete ihre Rückkehr ins Büro und beobachtete ihre Gesichter, als sie auftauchten. Seine Frau ignorierte die Bemerkung. »Gehen Sie zum Lunch nicht hinein, essen Sie mit uns«, warf Hjalmar ein, und sie sagte zu Bray: »Sie erinnern sich doch noch an den Weg – den Gang da hinunter, dann rechts. Es macht Ihnen doch nichts aus, wenn Sie bis zwei warten müssen? Früher komme ich nicht aus der Küche.«
    Hjalmar schien sich wegen seiner Ankunft in einem Zustand glücklicher Erregung zu befinden. Sie gingen in die Bar, und er schnappte sich ein dänisches Bier, das für jemand anderen bestimmt war. Die Bar war voll, obwohl der Großteil

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