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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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des lokalen Parteibüros gekauft hat. Alle sind sie Helden, Helden des Kampfes, verstehst du. Kampf? Für’n Arsch. Edward Shinza ist einer der wenigen, der seine Zeit abgesessen und damals von den tapferen Jungs Ihrer Majestät eins über den Schädel gekriegt hat, und wo ist er jetzt – hinten in den Bashi Flats, bei seinen alten Weibern, soweit ich weiß, und keiner, der auch nur seinen Namen in den Mund nehmen würde.«
    »Aber Shinza wird doch an den Unabhängigkeitsfeiern teilnehmen?«
    Roly stierte grimmig vor sich hin. »Keiner schert sich einen Teufel darum, wo er ist.«
    »Aber er ist jetzt doch in der Stadt?«
    »Ich hab keine Ahnung, wo zum Teufel er steckt.«
    »Willst du damit sagen, Edward nimmt an den Feiern nicht teil? Das ist doch nicht möglich. Ist er denn noch nicht in der Stadt?«
    »Du siehst doch, daß er keinen Posten im Kabinett bekommen hat. Ich kann mir nicht vorstellen, daß er auftaucht, um die Ehre zu haben, in der Menge zu stehen und mit einer Fahne zu wedeln, oder?«
    »Aber das ist doch lächerlich, Roly. Du kennst Shinza. Er weiß, was er will. Ich hatte den Eindruck, er soll als Botschafter zur UNO . Wart ab, bis Mweta Gelegenheit gehabt hat, ein bißchen allein zu glänzen und die Spannungen zwischen den beiden abflauen. Natürlich hätte er das Außenministerium kriegen müssen. Aber das müssen die zwei untereinander ausmachen.«
    »Wenn du die Gelegenheit bekommst, mit Mweta zu reden, dann könntest du ihn fragen, dann frag ihn, ob er nicht irgendwo vielleicht einen lumpigen kleinen Posten findet, irgendwas mit einem anständigen Etikett, für den armen alten Shinza,er hat doch immerhin mit einem
panga
an die Tür des Colonial Secretary geschlagen, als Mweta noch ein kleiner schwarzer Rotzjunge war, der in der Missionsschule Kirchenlieder gesungen hat.« Dando brütete verdrossen über seinem dritten oder vierten Gin mit Ingwerbier. Er war ein Mann, der den ausgefallensten Mischungen huldigte. Ein paar Monate lang trank er immer eine, um dann mit einer ähnlich stichhaltigen Begründung (sie war bekömmlicher, man bekam keinen Nachdurst) auf eine andere umzusteigen.
    »Oh, so ist Mweta doch nicht.«
    »Du kennst Mweta. Ich kenne Mweta. Aber jetzt ist da auch noch der Präsident. Wenn einer Landesvater sein soll, dann er und sonst keiner.«
    »Als ich Mweta zum letzten Mal in London traf, hatte ich ganz den Eindruck, daß sich sämtliche Spannungen, die es gegeben haben mag, in Wohlgefallen aufgelöst haben.«
    »Ja, ›armer alter Shinza‹, das sagen alle. Armer alter Dando.« Dando erläuterte den Bezugswechsel nicht. Vielleicht hatte er bloß sein eigenes Älterwerden kommentiert; kein Zweifel, er sah älter aus. Nun, da die Haut zu beiden Seiten herabgesunken war, wirkte seine kleine Nase wie ein Schnabel.
    Bray stellte eine Menge Fragen über andere Leute, und nicht alle waren freundlich. Einige Antworten waren ungewöhnlich; die beiden Männer wurden über dem Austausch ihrer Verblüffung immer lebhafter, ihrem ironisch-amüsierten Staunen und (auf seiten Dandos) der verachtungsvollen Indigniertheit, mit der er von der Selbstverständlichkeit erzählte, mit der ein paar Weiße mit einem Lächeln die Seiten gewechselt hatten, während andere gepackt und das Land verlassen hatten. »Sir Reginald wird Mweta höchstpersönlich mit einem Rednerpult aus Butaholz und einem silbernen Schreibzeug beglücken – geplant für Dienstag nachmittag.« Dando frohlockte. Sir Reginald Harvey war der Präsident eines Konsortiums von drei konzessionierten Bergbaugesellschaften, und jeder wußte, daß er, als persönlicher Freund von Redvers Ledley, dem unpopulärsten Gouverneur,den das Land je gehabt hatte, auf diesen eingewirkt hatte, die Bergarbeitergewerkschaft zu der Zeit zu verbieten, als Mweta und Shinza sie einsetzten, um die Unabhängigkeitsbewegung voranzubringen. Es gab ein berühmtes Zeitungsinterview, in dem er Mweta als »jene Vogelscheuche aus Gala« bezeichnet hatte, »die ihr aufrührerisches und irregeleitetes Haupt in der Kinderstube der Gewerkschaften dieses jungen Staates erhoben hat«.
    »Die Haare könnten einem zu Berge stehen«, sagte Dando; und er genoß die Wirkung. Die Nationale Unabhängigkeitspartei hatte Harveys Bemerkung damals als beleidigende Anspielung auf Mwetas Haar aufgefaßt; er besaß es noch in alter Fülle, wovon sich am Dienstag jedermann würde überzeugen können.
    Bray wiederholte, was er am Morgen auf dem Flughafen gehört hatte – daß sich

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