Der Ehrengast
wieder schwanger, seit er sie das letzte Mal gesehen hatte, daneben stand und lächelnd abwartete, bis alles vorbei war. »Genug jetzt. Ihr habt James überrascht. Jetzt laßt ihn aufstehen. Genug, Eliza!
Genug!
«
Er schnappte sich ein paar Kinder bei den Armen und den Beinen und kam zu ihr herüber, während Gliedmaßen nach allen Seiten hin ausschlugen. Er ließ die Kinder ins Gras fallen und küßte sie. Sie machte einen vernachlässigten Eindruck – die Selbstvergessenheit einer schwangeren Frau. »Wir haben dich an der Verkehrsampel bei der Eisenbahnbrücke gesehen. Sie haben darauf bestanden.«
Die Kinder schrien: »Erwischt, erwischt!«
»Ich hab gleich nach dem Mittagessen, nach meiner Ankunft angerufen.«
»Ich war weg, um sie von der Schule abzuholen. Neil wird begeistert sein. Er war gerade eine Woche in Daressalam, und es ist so langweilig, wieder zu Hause zu sein. James, du siehst schlank und
wunderschön
aus, und ich, wie du siehst …« Sie lachten miteinander – über sie.
»Ich hab’s herausgeschwitzt. Jesus, manchmal war es mörderisch in diesem Monat.«
»Ja, ich weiß, aber mein Speck ist nicht von der Art, der schmilzt, fürchte ich.«
»Ach, dafür wirst du ihn eines Tags auf einen Schlag los, ohne daß du auf dein tägliches Brot verzichten mußt …« Ihre Zuneigung war sofort wieder da – so war es immer gewesen – wie eine Flamme, die bei jedem Zusammentreffen neu aufloderte.
Sie entführte ihn zum Dinner; das war der Lauf der Dinge in der Hauptstadt, nichts hatte sich geändert. Der stadtauswärts flutende Verkehr war in der Stunde nach Geschäftsschluß dicht; noch eine Stunde, und die Straßen würden in der Dunkelheit wieder warm und leer sein wie die einer Provinzstadt. Sie fuhren an Mwetas Residenz mit den Wachen vorbei, die in ihren Häuschen standen. Im Garten der Bayleys brachte ihn Vivien auf den neuesten Stand, während die Kinder ihr Abendessen im Gras verzehrten. Die Pettigrews waren nach Beirut versetzt worden und zufrieden, Jo-Ann würde an der dortigen Universität irgendwas machen; David Rathebe, der Flüchtling aus Südafrika, war für zwei Monate verschollen gewesen und dann wiederaufgetaucht, angeblich war er in Algier gewesen; Timothy Odara war der Staatssekretärsposten im Gesundheitsministerium angeboten worden, aber Evelyn hatte ihn dazu gebracht abzulehnen, weil sie wollte, daß er ein Doktorandenstipendium in Amerika annahm. Von Mweta und Joy hätten sie nicht viel zu sehen bekommen, obwohl die Kinder letzte Woche in der Residenz bei einer Geburtstagsfeier gewesen waren; Joy sei jetzt die englische Blumenarrangeurin los und viel glücklicher, sie führe jetzt auf ihre eigene Art und Weise und sehr geschickt den Haushalt, unterstützt von einer netten, vernünftigen Frau, ihrer Tante, die beim Generaldirektor einer der Goldminengesellschaften etwa zwanzig Jahre lang Haushälterin gewesen war. Mweta sei bei seinem Werben um Kapital von ausländischen Industriellen, wenn auch nicht auf den internationalen Geldmärkten, zweifellos sehr erfolgreich; es sollte gar ein Wohltätigkeitsbankett geben, bei dem weiße Geschäftsleute mit dem Präsidenten für lächerliche fünfzig Pfund pro Kopf zusammentreffen konnten – Geld, das an die Stipendienfonds der Universitäten weitergeleitet werden würde.
Neil Bayley kam nach Hause und war der Mittelpunkt der herumpurzelnden und schreienden Kinder. Er erinnerte immer noch eher an einen Studenten als an einen Verwaltungschef. Für ihn war es selbstverständlich, mit einem Haufen verschiedenerLeute und Situationen gleichzeitig fertig zu werden; er stürzte sich in die Begrüßung Brays, führte mit seinem Sohn einen Schatten-Boxkampf auf, tätschelte seiner Frau das Hinterteil. »Wie geht’s, Mädel? Mein Gott, ich hab gerade für ein rothaariges, achtzehnjähriges süßes kleines Ding den Beichtvater gemacht … wenn du … Wird gleich rot, wenn du nur so viel … Man hat ihnen gesagt, sie könnten zu mir kommen und über alles diskutieren – außer über Sex, Religion oder Politik, James.«
Nachdem er zum Dinner eine Menge Wein getrunken hatte, überkam Bray das Verlangen zu reden. Er wollte von Shinza reden, um die Gestalt des barfüßigen Shinza im Morgenmantel in ihr Blickfeld zu bringen; um zu sehen, was Neil sagen würde, wie er ihn deuten würde. Statt dessen hielt er bloß in seinem Kopf einen Monolog rund um diese Gestalt. Was war an den Gerüchten über angebliche Schwierigkeiten Mwetas mit ein paar
Weitere Kostenlose Bücher