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Der Ehrengast

Der Ehrengast

Titel: Der Ehrengast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Gordimer
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Präsident hätte das Land nicht verlassen, hätte er nicht gewußt, daß er die Situation völlig unter Kontrolle hatte.
    Die Kellner verständigten sich mit Zurufen, als sie zwischen den Rondavels beim Silver Rhino herumgingen und an Türen schlugen, um den Frühstückstee und die Zeitungen zu bringen. (Zwischen Finger und Daumen schnippte Bray ein paar Ameisen weg, die den Zucker schnell geortet hatten.) Ein Boiler wurde gerade aufgeheizt. Der falsch gestimmte Gong, der gangauf, gangab und im Garten ertönte, um die Mahlzeiten anzukündigen, kam näher und verklang wieder – wie der Radiorecorder des Mädchens tags zuvor. Schuhe klapperten über die schmalen Betonstege ihrem morgendlichen Ziel zu. Die Wasserhähne begannen zu kreischen und zu furzen, als die Installation in Anspruch genommen wurde. Bray überließ sich dem Ablauf dieser Dinge – dem Badezimmer-Ritual, dem Ankleiden, der Einnahme des Frühstücks –, und schließlich, fünf Minuten vor elf Uhr fünfzehn, öffnete sich das Tor unter dem Gang mit den weißen Säulen, vor denen er schon einige Male in seinem Leben gestanden hatte: um als frisch ernannter Distriktkommissar seine Aufwartung zu machen; um ein Wort für Shinzas Entlassung aus dem Arrest einzulegen; um zu den Vorwürfen, die von den weißen Bewohnern von Gala gegen ihn erhoben worden waren, Stellung zu nehmen.
    Herausgerissen aus der Trance des Alltäglichen, das ihn hierhergeführt hatte, war Bray im Warteraum der Residenz mit einem Schlag hellwach. Im Pulsieren seiner Hand, die mit einer herabbrennenden Zigarette auf der Sessellehne lag, konnte er den schnellen Schlag seines Herzens fühlen. Deutlich nahm er die Art der Stille in diesem Raum wahr und die Veränderung durch seine Anwesenheit – wie das Ansteigen eines Wasservolumens, nachdem irgendein Gegenstand darin versenkt worden ist. Gleichzeitig ging er schnell und fließend – in Worten undnicht in jenen Sturzfluten von Bildern und Gefühlen, mit denen man ein Treffen einstudiert – das durch, was gesagt werden mußte. Die ruhige, zum Zerreißen gespannte Erregung erfaßte ihn. Es war das erste Mal seit sehr langer Zeit. Er öffnete die Fenster über der Fensterbank, und der Park dort draußen – schlanke Bäume, die still in der Hitze standen, ein Wiedehopfpärchen, das im Gras herumpickte – existierte innerhalb eines anderen Rhythmus, wie eine Landschaft, die man durch das Fenster eines Eilzugs betrachtet.
    Der Sekretär, Asoni, kam rasch herein. »Sie verstehen, Colonel, ich habe schon zu Mr. Small gesagt, wenn es irgend jemand anderes gewesen wäre, dann wäre es heute überhaupt nicht in Frage gekommen. Für private Unterredungen ist jetzt wirklich keine Zeit … Wir sind kaum wieder da, und jetzt diese andere Geschichte …« Die Mundwinkel herabgezogen, energisch, impulsiv. »Wenn’s irgend jemand anderes gewesen wäre, hätte ich nicht … aber es ist mir gerade noch gelungen, Sie unterzubringen …« Es war die Kellnermanier, für die Bemühungen um einen anständigen Tisch Unterwürfigkeit zu verlangen. Small steckte seinen Kopf durch die Tür: »Ich bin fasziniert, was für hervorragende Arbeit Sie im Norden leisten.« Es besaß die ganze Überzeugungskraft einer auswendig gelernten Phrase, man brauchte bloß »im Süden« einzusetzen, oder »in den Sumpfgebieten«, oder jeden anderen Ort, an dem man sich seit seiner letzten Begegnung mit Small zufällig aufgehalten hatte. »Ich weiß, daß der Große Mann Sehnsucht nach Ihnen hat, nichts könnte ihn dazu veranlassen, das zu versäumen, obwohl er bis zu den Ohren in Arbeit steckt. Unglücklicherweise wird es leider eher kurz ausfallen müssen, fürchte ich.«
    Bray gab keinerlei Zusicherung, daß er seinen Besuch nicht ausdehnen würde. Miteinander schwatzend eskortierten ihn die beiden hinaus in den Gang, wo sie aufgehalten wurden, weil vor ihnen eine riesige Kupferurne oder ein Kochkessel auf den Köpfen und Armen von Arbeitern vorübergeschleppt wurde. Mit einer theatralischen Geste wandte sich Wilfrid Asoni an Small.
    »Was, in Gottes Namen, fällt denen denn eigentlich ein?« Small weigerte sich, der Prozession auszuweichen. Unter der Last kamen die Männer aus dem Tritt, und ihr schimmerndes Geschütz schaukelte vorwärts. »Warum hat man denn das Ding nicht durch den Dienstboteneingang hereingebracht? Die Küchen – warum benutzen Sie denn nicht den Kücheneingang, hm? Wer hat diesen Leuten erlaubt, hier hereinzukommen?« Bedienstete und Erklärungen

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