Der Ehrengast
Verhaltensregeln auferlegen – die Eisenbahnen werden um nichts schlechter sein als früher.«
Bray ging zur öffentlichen Telefonzelle hinüber, um Mwetas Privatsekretär, Wilfrid Asoni, anzurufen. Aber er war im Augenblick »unerreichbar«; Clive Small, der Mann, der für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig war, kam statt dessen ans Telefon. Er war umwerfend freundlich; er war sicher, der Präsident werde entzückt sein, und so weiter … »Glauben Sie, daß ich ihn morgen sehen könnte?« Small würde selbstverständlich alles unternehmen; Bray wisse sicher, daß der Große Mann gerade erst zurückgekommen sei – Small würde für Asoni eine dringliche Nachricht hinterlassen; in der Stimme lag all die zuversichtliche Schmeichelei professioneller Verbindlichkeit. Dann rief Bray die Bayleys an, war aber erleichtert, daß niemand zu Hause war; er wollte die Freunde nicht aufsuchen, ehe er mit Mweta gesprochen hatte. Er hatte schon die Absicht gehabt, Hjalmar Wentz gegenüber zu erwähnen, es sei unnötig, Roly Dando davon zu erzählen, daß er da sei, er würde das am anderen Tag selber besorgen. Nun gut, er hatte nichts gesagt. Er beschloß, alles dem Zufall zu überlassen, und fuhr sogar mit dem Auto in die Stadt, um ein paar Besorgungen zu machen; wie immer, wenn man an irgendeinem abgelegenen Außenposten lebte, gab es angenehme Kleinigkeiten, die für die Warenhäuser zu Hause etwa Exotisches darstellten. Und obendrein war es ein Ereignis, wieder eine Buchhandlung zu betreten, selbst die eher bescheidene hier, in der sich vor allem die Bestseller des vergangenen Jahres und James-Bond-Romane stapelten. Er kaufte eine Taschenbuchausgabe von Yeats, einen Band Essays von einem schwarzen Professor für Politikwissenschaft an einer ostafrikanischen Universität, eine Neuausgabe von Isaac Deutschers
Stalin
– alles, was einem unter die Fingerkam, war ein Schatz. Eine halbe Stunde lang vergaß er, weshalb er in der Hauptstadt war. Er kaufte einen Stapler und ein paar Kugelschreiber, die besser als die üblichen zu sein schienen, und probierte sie auf Empfehlung einer hübschen, kleinen schwarzen Verkäuferin mit einer Pompadourfrisur aus schwarzem Kraushaar aus. Kinderbücher waren ausgelegt, und beinahe hätte er ein paar Tin-Tin-Bücher gekauft – für die Kinder, das Mädchen und die beiden kleinen Jungen, die an jeweils einer Hand von Rebecca Edwards gingen, wenn sie über das freie Gelände zwischen seinem Haus und dem der Tlumes kamen. Aber er legte die Bücher in den Ständer zurück. Er sammelte sämtliche – drei Wochen alten – Ausgaben von Zeitungen und Zeitschriften aus Übersee, die er nicht abonniert hatte, und kam vollbeladen heraus.
Als er wieder beim Silver Rhino ankam, wartete schon eine Botschaft aus dem Sekretariat des Präsidenten auf ihn. Er hatte einen Termin für morgen vormittag um Viertel nach elf bekommen. Hjalmar Wentz, der die Nachricht entgegengenommen hatte, legte das Gegenteil von Neugier an den Tag – und Bray fühlte sich sogar von Wentz’ lakonisch-ergebener Diskretion überbewertet; sie schien davon auszugehen, Brays Stellung sei von Anfang an eine vertrauliche und einflußreiche gewesen und die Verbannung in den Busch unter dem Vorwand eines vagen Bildungsprojekts bloß Tarnung. »Ach – übrigens, wenn Roly in die Bar kommt, dann sagen Sie ihm bitte nicht, daß ich hier bin, ja? Ich ruf ihn morgen an, nur im Augenblick bin ich nicht besonders in Stimmung für Gesellschaft, und wenn wir beide zusammenkommen, dann heißt das nur, daß wir den ganzen Abend trinken …«
»Gut, daß Sie das gesagt haben. Ich werde Stephen warnen.«
Seine Tochter hob das Klappbrett des Bürotresens und ging hindurch. Ihre vorspringenden Hüftknochen spannten wie Holzpflöcke ein eng anliegendes Baumwollkleid über ihrem flachen Bauch, sie trug eine Notenmappe von jener Art, die Kinder hinund herschwingen. »Emmanuelle, solltest du Mr. Dando sehen, dann sag ihm nichts davon, daß Colonel Bray hier ist.«
»Ich seh Mr. Dando nie«, sagte sie hochmütig.
Bray lachte, und ihr Vater lachte gezwungenerweise mit, als wollte er sagen: So ist sie eben.
Bray nahm sich ein Bier zum klapprigen Liegestuhl im Garten mit, den Rücken der Bar und dem Hotel zugekehrt. Plötzlich legten sich zwei klebrige Hände, die nach Lakritze rochen, über seine Augen, und der Stuhl wurde kichernd gerüttelt und gestoßen. Vivien Bayleys Kinder waren aus einem Hinterhalt über ihn hergefallen, während Vivien, schon
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