Der Eid der Heilerin
ihr hübsches Gesicht frei. Ihr Schleier flatterte im klammen Wind.
Der König sah seinen Freund grinsend an. »Ach, William, so viele kleine, dralle Häschen und so wenig Zeit. Jetzt aber an die Arbeit. Wie sehen die Pläne für Windsor aus?«
Der Kammerdiener kleidete seinen Herrn vollends an, und die Männer, die sich im Schlafgemach aufhielten, strömten auf ein Zeichen von William hinter dem König her zur Messe. Als sie das offizielle Empfangszimmer betraten, zog William Moss beiseite und drückte ihm einen kleinen, angenehm klingelnden Lederbeutel sowie ein erlesenes Lackkästchen in die Hand. »Jane Füller. Der Beutel ist für sie.«
Der Doktor nickte.
»Sorgt dafür, dass sie vor der Abreise nach Windsor den Hof verlässt.«
Moss verbeugte sich. Der König veranlasste, dass Jane gut versorgt war. Wahrscheinlich würde sie nach York geschickt werden, wo sich der Familiensitz des Königs befand. Sie würde eine Mitgift erhalten und gut verheiratet werden, vielleicht mit einem reichen Brauereibesitzer oder einem Kaufmann. Aus dem Gewicht des Beutels schloss Moss, dass Hastings auch Geld für ihre Aussteuer bereitgestellt hatte. Nun musste das Mädchen nur noch von seinem Glück überzeugt werden.
Der Doktor seufzte. So etwas war niemals einfach. William klopfte ihm beinahe mitfühlend auf die Schulter. »Kommt zu mir, wenn Ihr das erledigt habt. Wir haben einiges zu besprechen. Übrigens, das Kästchen ist für die Königin. Ein Geschenk des Königs. Bitte bringt es unverzüglich Ihrer Majestät.«
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Kapitel 21
Es dauerte einige Wochen, bis Anne das riesige Labyrinth aus Gängen und Zimmern in Westminster durchschaute und einige Punkte fand, an denen sie sich orientieren konnte, wenn sie sich verirrte. Obwohl ihr das Gebäude zunehmend vertrauter wurde, bereitete ihr das strenge Hofprotokoll immer noch Probleme, und jeder Tag war von Ängsten begleitet: Angst, das Falsche zu sagen oder zu tun und deshalb aus dem Palast und aus dem Leben der Königin und, wenn sie ehrlich zu sich war, auch des Königs verwiesen zu werden.
Das Leben am Hof faszinierte sie. Sie lernte, wessen Stern in der Gunst des Königs und der Königin im Aufgehen oder im Sinken begriffen war, und begann, sich Gedanken über das wahre Wesen dieser mächtigen Herrschaften zu machen und wie sie selbst einen sicheren Platz unter ihnen finden konnte.
Mit der Königin war am schwierigsten auszukommen - in der einen Minute war sie freundlich und offen, in der nächsten eine eiskalte Tyrannin, die aus einer puren Laune heraus einen Untergebenen ins Unglück stürzen konnte.
Zum Glück für Anne war Elizabeth derzeit sehr zufrieden mit ihr. So zufrieden, dass sie bereits nach zwei Wochen veranlasste, dass Anne aus der Stube, die sie mit den anderen Zofen teilte, ausquartiert wurde und ein winziges eigenes
Zimmer, kaum größer als ein Schrank, neben den Gemächern der Königin zugewiesen bekam. Rose, Dorcas und Lily waren froh darüber, nur Evelyn war traurig, und Jane verzehrte sich vor Neid.
Der Grund für diese noch nie da gewesene Gunst war der herrliche natürliche Goldton von Elizabeth Wydevilles Haar, den Anne wiederhergestellt hatte. Sie hatte das Haar der Königin mit einer Spülung aus Zitronensaft behandelt und anschließend eine heiße Paste aus feiner, weißer Tonerde aufgetragen. Der Ton stammte aus einer dünnen Erdschicht, die Ziegelbrenner in dem schweren, roten Lehm nahe dem Schloss gefunden hatten. Anne hatte zufällig davon gehört, hatte damit experimentiert und herausgefunden, dass er ebenfalls bleichende Eigenschaften besaß, wenn er mit Mandelöl und dem Urin einer stillenden Frau vermengt wurde.
Jedermann bei Hof lobte das strahlende Aussehen der Königin und fand das Königspaär verliebter denn je zuvor.
An diesem Tag wollte sich Elizabeth besonders schön für den König machen und verbrachte eine volle Stunde in der tiefen Messingwanne, die neben dem Kamin ihres Ankleidezimmers aufgestellt worden war und die ihre Dienerinnen laufend mit heißer Milch auffüllten. Anne, Dorcas und Evelyn liefen unablässig zwischen Ankleidezimmer und Küche hin und her und schleppten schwere Kupferkannen herbei, bis die Königin endlich befand, dass ihre Haut von der Milch spürbar glatter geworden war. Daraufhin mussten sich die Kammerjungfern sputen, die Königin rechtzeitig für die Messe anzukleiden.
Anne wartete mit einem Körbchen Haarnadeln aus Elfenbein, bis Jane das Haar der Königin ausgebürstet
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