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Der Eid der Heilerin

Der Eid der Heilerin

Titel: Der Eid der Heilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Posie Graeme-evans
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klaren Blick des Königs. Verstohlen verzog er das Gesicht. Wie brachte es der König fertig, sich bei so wenig Schlaf und so viel Wein so gut zu halten? Und bei so viel Fleischeslust. Die Jugend, dachte er matt. Die Jugend.
    »Nun, herein, herein ...« Der König brannte darauf, den Tag zu beginnen, und die Höflinge strömten in den großen Raum. Filke, der flämische Barbier des Königs, brachte eine
    Schale heißen, parfümierten Wassers und einige Stücke weicher Seife aus bestem Talg und edelstem Mandelkernöl herbei, um den König zu rasieren.
    William sah, dass das zerwühlte Bett leer war. Er gehörte zu den wenigen, die von der Geheimtür hinter dem großen, modernen Bildteppich wussten, auf dem die Mühen des Herkules abgebildet waren. Er hatte die Tür selbst schon oft benutzt.
    Der König setzte sich vor die hellen, großen Flügelfenster, damit der Barbier seine Arbeit tun konnte, und William wärmte das Hemd am Feuer auf. Außer Hörweite der anderen tauschten die beiden den neuesten Klatsch aus. Edward liebte es, im Leben anderer herumzustochern, nicht nur, weil er sich an den kleinen Sünden seiner Höflinge ergötzte. Die Klatschgeschichten bei Hof stellten eine wichtige Informationsquelle über die wechselnden Allianzen um seine Person dar, eine Quelle, die der König ebenso wie sein engster Vertrauter William zu schätzen wussten.
    »Nun, William, erzählt. Was spricht man zur Zeit über meine verehrte Schwiegermutter, die Herzogin Jacquetta?«
    William war auf der Hut. Das war ein heikles Thema, wie beide wussten. Deshalb bemühte er sich um eine beiläufige Antwort. »Die Herzogin hat einen neuen Beichtvater, Sire, ich fürchte aber, er wird nichts nützen.«
    »Wer ist es?«
    »Ich glaube, ein Dominikanermönch. Ihm -wird nachgesagt, er sei ein überaus heiliger Mann. Vater Bruno, aus Frankreich, soviel ich weiß.«
    »Ein heiliger Vernebier also?«
    William nickte vorsichtig und reichte dem König das angewärmte Hemd, da der Barbier seine Arbeit getan hatte und rückwärts aus dem Zimmer buckelte. Beide Männer wussten, dass der neueste Klatsch über die ungeliebte, raffgierige Königinmutter ihre angeblichen Verbindungen zu den schwarzen Künsten betraf.
    »Und was ist mit meinem Schwiegervater?«
    »Lord Rivers ist krank, Sire. Er hat sich für die Morgenmesse entschuldigen lassen. Ich glaube, er hat sich den Magen verdorben.«
    Edward lachte unerwartet schroff. Wie alle anderen bei Hof hatte er sich über die plötzliche Heimsuchung der Wydevilles nach seiner Heirat mit Elizabeth gewundert, und Hastings hielt ihn über die allgemeine Ungehaltenheit angesichts ihres hochnäsigen Benehmens auf dem Laufenden. Doch Edward war zuversichtlich, die Königin und damit ihre habgierige Verwandtschaft unter Kontrolle halten zu können. Hastings war in diesem Punkt weit weniger optimistisch. Er hatte großen Respekt vor Elizabeths Überredungsgabe, die ganz offensichtlich eng mit ihrer Schönheit verknüpft war. Eine entsetzliche Waffe, gegen die ein Mann kaum ankam, wenn sich die Königin einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte. Außerdem war der König bekannt dafür, dass er unangenehme Herzensangelegenheiten gerne von anderen regeln ließ. Er war ein entschlussfreudiger General und erwies sich auch als fähiger Verwalter seines Königreichs, doch er hasste den Morast und die Vielschichtigkeit intimer menschlicher Beziehungen. Er liebte Freunde, Frohsinn und Musik. Laute Stimmen, Vorwürfe und Tränen hingegen waren ihm zutiefst zuwider. Das ging sogar so weit, dass er einfach aus dem Zimmer ging, wenn eine Frau weinte, und Hasting die Scherben zusammenkehren ließ.
    Die Königin kannte ihren Gatten gut, viel zu gut, und nutzte die Ungeduld und das Unbehagen des Königs in Gefühlsdingen zugunsten ihrer Familie aus. Sie machte es ihm leicht, ihr eine Gunst zu gewähren - nie schrie oder bettelte sie -, und belohnte ihn dafür mit ihrem Körper. Ihre Bettspiele unterschieden sich von denen mit anderen Frauen, denn sie verstand es, seinen Körper wie eine Gambe zu spielen - feinfühlig und kenntnisreich. Bisher war er immer zu ihr zurückgekommen. William seufzte. Frauen!
    »Ah, Frauen«, flüsterte Edward ehrfürchtig.
    William war verblüfft, doch dann sah er, dass der König, während Davis ihn ankleidete, aus dem Fenster schaute. Tief unten schwamm eine offene Barke flussaufwärts, auf der eine junge Frau mit ihrer Zofe saß. Die Kapuze ihres Mantels war nach hinten gerutscht und gab den Blick auf

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