Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Eid der Heilerin

Der Eid der Heilerin

Titel: Der Eid der Heilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Posie Graeme-evans
Vom Netzwerk:
aufzuschnüren, sorgsam darauf bedacht, sie so wenig wie möglich zu belästigen. Die übrigen Hofdamen hatten sich um die Königin geschart und erteilten ihr die widersprüchlichsten Ratschläge.
    »Eine heiße Milch mit einem Ei, ein wenig Malvasierwein und eine Prise Muskat wäre das Beste ...«
    »Nein, auf keinen Fall - Gewürze in ihrem Zustand, das wäre sehr schädlich ...«
    »Vielleicht einen heißen Stein für die Füße?« Das war der vernünftigste Vorschlag, den Jehanne bis dahin gehört hatte, und sie blickte dankbar zu Anne auf, die mit Evelyn ins Zimmer geeilt kam.
    »Ja, Kind. Schnell. Nun, Euer Majestät, das Kleid ist aufgeschnürt. Lady de Sommerville, würdet Ihr der Königin bitte auf die Füße helfen?« Die Königin erhob sich schwankend, so dass das Kleid endgültig abgestreift werden konnte. Schnell trat Evelyn nach vorn und hielt einen mit Streifen von Marder- und Luchspelz besetzten Samtmorgenmantel bereit, den Jehanne der Königin um die Schultern legte. »So ist es gut, Majestät. Lehnt Euch an mich, dann werdet Ihr im Nu im Bett sein ...«
    Dicke Tränen quollen unter den geschlossenen Lidern der Königin hervor. Die Hofdamen sahen sie überrascht an. Die Königin musste in der Tat sehr krank sein, denn keine hatte sie je weinen gesehen. Außer natürlich als ihre Tochter, Lady Elizabeth, geboren wurde, aber das war aus verständlicher Enttäuschung gewesen.
    »Oh, Jehanne, mir ist so kalt, so kalt ...« Ängstlich legte die Königin die Hände auf ihren Bauch. »Glaubt Ihr, ich habe ihn verletzt?« Die Hofdamen sahen sich ratlos an.
    »Nein, Euer Majestät. Ihr seid gesund und kräftig. Ihr braucht nur Ruhe und Wärme. Und Ihr müsst schlafen. Das Bett ist schon gerichtet«, sagte Anne ruhig, doch mit einer Autorität in der Stimme, die augenblicklich Wirkung zeigte. Die Königin nickte kläglich und erklomm das große Bett. Im Raum herrschte vollkommene Stille. Den anderen hatte es vor Verblüffung die Sprache verschlagen, denn dass eine Dienerin unaufgefordert sprach, hatte es noch nie gegeben.
    Die Königin, deren Haar wie bei einem kleinen Mädchen in ordentlichen Zöpfen geflochten war, kuschelte sich unter die Decke. Sie sah aus wie eine gewöhnliche, junge Frau, und plötzlich hatte Anne Mitleid mit ihr. Das Leben einer Königin war hart - keinen Augenblick war man unbeobachtet, und wem konnte man schon vertrauen? Die Höflinge buhlten um ihre Freundschaft, doch nur um ihres eigenen Vorteils willen, nicht weil sie sie mochten. Kein Wunder, dass Elizabeth so unleidlich war.
    Als Anne die Decke aus feinstem, seidengefüttertem Winterzobel hochzog, überlegte sie, was die Königin sehen würde, wenn sie jetzt die Augen aufschlüge. Eine Dienerin? Oder die Dirne, die hinter der Fassade lauerte? Aber die Königin ließ die Augen geschlossen und sank bald in einen behüteten, tiefen Schlaf.
    Die Hofdamen verließen das Zimmer, und Jehanne gab den Kammerzofen ein Zeichen, dass sie ebenfalls gehen könnten. Als Anne sich ihren Freundinnen anschließen wollte, hielt Jehanne sie zurück. »Bleib hier bei der Königin, bis sie aufwacht. Ich muss einiges erledigen, bevor der König zurückkehrt.«
    Nun war Anne allein mit der Königin. Der Regen trommelte gegen die Fenster, und im Kamin in der Ecke prasselte das Feuer. Anne stand eine Weile am Fußende des breiten Bettes und beobachtete die schlafende Königin. Ohne ihre vornehmen Kleider war Elizabeth eine Frau wie jede andere - wie Anne. Anne seufzte tief und ging zu einer steinernen Bank, die in eine Mauernische unter den Fenstern eingelassen war. Sie ließ sich darauf niedersinken, schloss die Augen und legte die Stirn an die kalte Fensterscheibe. Vielleicht brachte das eisige Glas sie ja wieder zu Verstand. Sie musste über ihre Lage nachdenken. Was sollte sie dem König sagen, wenn er sie nach der vergangenen Nacht fragte? Und wie konnte sie ihrer Gefühle Herr werden?
    »Mutter Maria, gib mir Kraft. Bitte ...« Sie betete inbrünstig, aber sie war nicht aufrichtig - sie konnte sich nicht selbst belügen. Ja, sie brauchte Kraft, aber sie wollte nicht stark sein, »Oh, Jesu«, stöhnte sie laut, worauf die Frau im Bett sich regte. Anne hielt den Atem an. Die Königin schlief weiter, so dass sie wieder allein mit ihren Gedanken war, Gedanken an Edward, so sehr sie auch beten mochte. Irgendwann hörte sie draußen vor der Tür Stimmen - das leise Gespräch von zwei Männern. Kurz darauf wurde sachte die Tür geöffnet, und da stand er,

Weitere Kostenlose Bücher