Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Eid der Heilerin

Der Eid der Heilerin

Titel: Der Eid der Heilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Posie Graeme-evans
Vom Netzwerk:
das Pfeifen und Zischen von Pfeilen und das Jaulen verwundeter Pferde. Ihre Kehle schnürte sich vor Angst zusammen, und am liebsten wäre sie vom Karren gesprungen und fortgelaufen ... Doch als sie sich umsah, war nichts zu sehen. Keine Schlacht, keine Plünderer, die sich aus den Bäumen auf sie stürzten. Nur fröhliche, unbesorgte Gesichter, die aufgeregt den kommenden Vergnügungen entgegensahen.
    Anne fühlte sich benommen und schwindelig; die schrecklichen Bilder ließen sie nicht los. Ihr Herz verkrampfte sich vor Angst ... und der Gewissheit, dass Edward es war, der sich der Schlacht würde stellen müssen. Es gab keinen Ausweg, der Konflikt musste ausgetragen werden. Der König und das Königreich waren noch immer in Gefahr, das spürte sie mit all ihren Sinnen. Doch wenn sie ihm sagen wollte, was sie fühlte - auch wenn er ihr glaubte -, müsste sie ihn allein sprechen, was ihr nach der vergangenen Nacht unmöglich erschien. Verzweifelt betete sie. Ob Herr, lass die Reise ewig dauern. Mach, dass er nicht da ist. Mach, dass er mich nicht sieht ... Doch bereits wenige Augenblicke später fuhren sie um die letzte Biegung des Waldwegs und sahen einen kleinen Vergnügungspark mit Zelten und Lagerfeuern und dahinter einen See von beachtlicher Größe, auf dem sich über Nacht eine solide Eisdecke gebildet hatte.
    Es war eine lebhafte, fröhliche Szene, als der Königin vom Pferd geholfen wurde und sich die bunt gekleideten, jungen Höflinge lachend und scherzend um sie scharten. Vom König keine Spur.
    Jehanne eilte mit Anne ihrer Herrin zu Diensten. Nichts, weder eine Haarsträhne noch ein Schmutzfleck, durfte das strahlende Erscheinungsbild der Königin in ihrem glänzend weißen Kostüm verderben. Anne lächelte wehmütig. Das weiße Kleid war eine hervorragende Wahl. Inmitten der rotwangigen, bunt gekleideten Höflinge wirkte Elizabeth geradezu engelsgleich, beinahe wie nicht von dieser Welt - und das wusste sie. Das Wissen um ihre Schönheit verlieh ihrem Lächeln ein ganz besonderes Strahlen, als sie sich vor ihrem Zelt auf einem vergoldeten italienischen Klappstuhl niederließ, wo sie den König erwartete. Doch als Anne ihre siegesgewisse Herrin betrachtete, schauderte sie, denn mit einem Mal sah sie unter Elizabeths liebreizendem Gesicht den Totenschädel durchscheinen, genauso wie damals bei Piers. Das Bild verschwamm, und sie erblickte wieder die Königin, diesmal jedoch viel älter, als Nonne gekleidet. Ihre Schönheit war vergangen, und tiefe Hoffnungslosigkeit beugte ihre Gestalt. Anne wurde von Furcht und Elend erfasst. Warum sah sie solche Dinge? Verzweifelt wandte sie sich ab und fand sich plötzlich Doktor Moss gegenüber.
    »Warum so traurig, junge Maid?«
    Bei dem Wort »Maid« verzog sie unwillkürlich das Gesicht. »Nichts, Sir. Ich bin nur müde. An einem fremden Ort schläft es sich schlecht.«
    Moss' Augen verengten sich. Also nahmen die Dinge ihren Lauf. Gut zu wissen. »Ja. Am Königshof lässt es sich kaum ruhen. Edward scheint keinen Schlaf zu brauchen.«
    Seine Stimme klang beiläufig, doch Anne, hellhörig für jede Nuance im Tonfall, vernahm darin etwas, das ihren Widerspruchsgeist erregte. »Nicht jeder ist für so ein Leben geschaffen, Sir«, entgegnete sie trotzig.
    Sie knickste und kehrte stolz und zufrieden mit ihrer Antwort zu der Hofgesellschaft zurück, auch wenn sie vor Verzweiflung am liebsten geweint hätte. Moss sah ihr gedankenvoll nach und spürte zu seiner Überraschung einen Hauch von Bekümmerung, den er sogleich ungeduldig verscheuchte. Sie war an den Hof gebracht worden, um der Königin zu dienen. Und dem König. Nun, beide sollten ihre Freude an ihr haben, dann war beiden gedient - und ihm ebenfalls.
    Als er sich zum Gehen wandte, fiel ihm auf, mit welchen Blicken die Männer Anne verfolgten. Er sah, wie sie einander anstießen und das gierige Aufflackern von Begierde in ihren Gesichtern. Einen Augenblick lang ließ er sich von ihren Gefühlen anstecken, ehe ihn eine Woge der Verärgerung erfasste. Und Neid.
    Doch als Mann, der sich auch in Situationen unter Kontrolle hatte, in denen andere Männer ihre Selbstbeherrschung verloren, wandte er entschlossen den Blick ab und verdrängte jegliches Gefühl. Den Körper einer Frau zu begehren war eine Sache, ihn sich zu nehmen eine ganz andere. Er konnte es sich nicht leisten, in Anne etwas anderes als ein nützliches Werkzeug zu sehen. Daran wollte er sich halten, bis er die Kraft fand, ihren Verlockungen zu

Weitere Kostenlose Bücher