Der Eid der Heilerin
wurde.
»Schönes Wetter, Yseul?« Sir Mathew bemühte sich, freundlich zu sein, obwohl Yseul seine Geduld strapazierte.
»Ja, Sir Mathew. Sehr schön, ganz hell und still.«
Mathew erschien zwischen den Vorhängen. Er war schicklich in einen langen Schlafrock gehüllt, der an die altmodischen Houppelandes erinnerte, die er bevorzugte. »Hol Wasser für deine Herrin. Wir sind in Eile.«
Yseul mochte wie ein verängstigtes Kind aussehen, aber dumm war sie nicht, und als sie eine Kanne Wasser nach der anderen ins Sonnenzimmer schleppte, dachte sie über das seltsame Verhältnis zwischen Lady Margaret und ihrer Cousine nach. Während der vergangenen Tage hatte sie vor die Tür der kleinen Kammer, in die sich die Cousine mit ihrer Zofe zurückgezogen hatte, das Essen hinstellen dürfen. Als sie durch eine Türritze einen Blick auf das schöne Mädchen hatte werfen können, hatte sie den Eindruck gewonnen, dass es alles andere als krank war. Außerdem verbrachte Lady Margaret viel Zeit in dem engen Raum und schien sich vor einer Ansteckung nicht zu fürchten.
Die übrigen Hausangestellten tauschten begierig Klatsch über die beiden Fremden aus, und Corpus - wer sonst? - verbreitete das Gerücht, die Cousine sei schwanger und deshalb vom Hof entfernt worden, um in der Abgeschiedenheit eines Klosters in Kürze ihr Kind der Schande zu gebären und dann das Nonnenhabit anzunehmen. Die anderen aber spotteten über seinen Verdacht - auch Maitre Gilles, der dem Lästermaul eine deftige Ohrfeige verpasste.
Trotzdem war es seltsam, dass niemand außer Yseul, die noch nicht lange dem Haushalt angehörte, das Mädchen in Avelines Zimmer zu Gesicht bekommen hatte.
Avelines Zimmer. Allein das gab Anlass genug für Gerede. Wie konnte Sir Mathew jemanden in diesem verfluchten Raum logieren lassen? Das konnte jeden guten Christen das Fürchten lehren ...
Mathew hatte sich angekleidet und sprach nun, ungeachtet des Geredes der Dienstboten, mit Anne, während Deborah sich um das Frühstück kümmerte. »Das schöne Wetter soll anhalten. Das scheint mir der rechte Zeitpunkt für die Abreise zu sein. Ich habe nach meinem Kapitän schicken lassen, möchte aber zunächst noch etwas mit Euch besprechen.«
Mathew schluckte nervös. Noch nie war er ein solches Risiko eingegangen, und nicht zum ersten Mal grübelte er darüber nach, ob es klug war, dieses Spiel zu spielen. Seine Beziehung zum König war für ihn und für seine Geschäfte von größter Wichtigkeit, und sein Eintreten für Anne konnte ihm womöglich als Verrat ausgelegt werden, sollte der Beweis ihrer Herkunft tatsächlich erbracht werden. Doch wenn Mathew den Zeitpunkt bestimmte, zu dem er Anne dem König mit unanfechtbaren Beweisen in ihrer neuen Gestalt präsentieren konnte, sah Edward möglicherweise ein, dass es am vorteilhaftesten für ihn wäre, wenn er sie mit einem seiner Verbündeten verheiraten würde - einem Mann, dem Edward vertrauen konnte. Damit könnte er mit einem Schlag die Gefahren neutralisieren, die ihm aus ihrer Existenz erwuchsen, und würde gleichzeitig seinen Thron stützen, falls seine Frau ihm keinen Sohn gebären sollte. In diesem Fall könnte Mathew mit einer üppigen Belohnung rechnen - falls es ihm gelänge, die Fäden weiter in der Hand zu halten.
»Lady Margaret und ich sind der Meinung, es ist am sichersten, wenn Ihr auf der Reise weiter die Rolle der Dienerin spielt. Ich möchte Euch deshalb einen Vorschlag machen.
Jane Shore ist die Tochter des Tuchhändlers Master Lambert, eines alten Freundes von mir.«
Anne nickte. »Ja, ich erinnere mich.« Wie hätte sie ihn vergessen können, schließlich war er es doch gewesen, der den Mord an Piers untersucht hatte.
»Ich habe ihm nichts von Eurer Geschichte erzählt, aber ich habe ihn vertraulich um Hilfe gebeten. Er hat sich einverstanden erklärt, seine Tochter Jane nach York zu schicken, wo Master Shore, ihr Gemahl, derzeit mit der Gilde der Merchant Adventurers Geschäfte tätigt. Natürlich wird sie auf der Reise von Dienstboten begleitet werden. Von Euch und Mistress Deborah. Ihr werdet sie in Southampton treffen.«
Anne schloss die Augen und erinnerte sich an das eigentümliche Gefühl, das sie beschlichen hatte, als sie Jane bei der Hochzeit von Aveline und Piers bedient hatte. Anne hatte sich Jane, die kaum älter war als sie selbst, damals so verbunden gefühlt und eine Vision von einer gemeinsamen Reise gehabt ... »Und der Brief, habt Ihr ihn bekommen?«
Mathew runzelte die
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