Der Eid der Heilerin
schien das Gehörte nicht weiter zu interessieren, doch danach stürmte er höchst verärgert in das Zimmer von William Hastings.
William hatte seine eigenen Sorgen: Seine Frau bestand darauf, ihn nach dem Weihnachtshof in London zu treffen. Er lächelte trübsinnig, da ihm kein triftiger Grund einfallen wollte, sie abzuweisen. Seine »Verpflichtungen gegenüber dem König« ließ sie nicht länger als Entschuldigung gelten. Und was Anne betraf - nun, er wusste natürlich, dass sie fort war. Nachdem die Königin ihr Einverständnis gegeben hatte, war seine Zustimmung lediglich eine Formalität gewesen. Er hatte dem König nichts erzählt, um ihn nicht von den anstehenden Regierungsgeschäften abzulenken. Es erforderte größte Sorgfalt, den Scheinkrieg, der sie in Bälde nach Norden führen würde, vorzubereiten.
»Man hätte meine Erlaubnis einholen müssen.« Edwards Nasenflügel bebten bedrohlich.
William unterdrückte ein Seufzen. Diesen Tonfall kannte er zur Genüge. »Eure Majestät, es war keine Zeit mehr, Euch zu konsultieren. Die Königin hat das Mädchen entlassen, weil ihre Mutter im Sterben liegt. Sie ist binnen einer Stunde aufgebrochen. Ihr die Erlaubnis zu verweigern wäre nicht gerade christlich gewesen. Sie wird in Kürze wieder an den Hof zurückkehren.«
Der König schnaubte wütend. »Darum geht es nicht. Sie ist meine Untertanin, und dies ist mein Weihnachtshof. Niemand verlässt ihn ohne meine Erlaubnis!«
William wechselte die Taktik. »Ich hätte es natürlich gegenüber der Königin erwähnen können. Aber wäre ihr dann Euer Interesse am Schicksal einer ihrer Kammerjungfern nicht seltsam vorgekommen?«
Edward schlug mit der Reitpeitsche auf seine russischen Lederstiefel und wandte sich grollend ab. William hatte Recht. Jede Bemerkung über Anne hätte die Königin nur noch misstrauischer gemacht. Und je weiter ihre Schwangerschaft fortschritt, desto wahnhafter litt sie unter ihrem Erscheinungsbild. Sie beobachtete ihn wie ein Falke. Es war kaum mit ihr auszuhalten. Er würde warten müssen, bis der Hof wieder in London war. Missmutig verzog der König das Gesicht, als er an das Mädchen dachte, und verspürte gleichzeitig einen Anflug von Sehnsucht. Von den vielen Frauen, die er begehrt, den vielen, die er besessen hatte - auch wenn er dieses Mädchen rein technisch noch nicht zu seiner Geliebten gemacht hatte war sie die Erste, für die er aufrichtige Zuneigung empfand. Sie war mutig, und sie besaß einen ebenso starken Willen wie er selbst. Und sie schien nichts von ihm zu verlangen. Insofern war sie wirklich die Erste, in vielerlei Hinsicht.
Diese zynischen Gedanken ließen ihn innerlich auflachen. Er würde mit größtem Vergnügen herausfinden, was es war, das ihn an Anne so reizte.
Er betrachtete die kalte Landschaft außerhalb des Schlosses. Nun gut, er musste sich gedulden, aber wehe William, wenn sich bei ihrer Rückkehr an den Hof herausstellen sollte, dass er seinen König belogen hatte!
Unterdessen hatte auch Doktor Moss durch Rose von Annes Abreise erfahren. Rose besaß einen bösartigen Wesenszug, den er einer ungünstigen Verbindung von Skorpion und Merkur mit Zwilling im Quadrat zu Steinbock zuschrieb - Verstocktheit und Heimlichtuerei verbanden sich mit Gefühlskälte und Klatschsucht -, der ihm in der Vergangenheit allerdings oft von Nutzen gewesen war. Er hatte Rose dafür bezahlt, dass sie ihm Informationen über die Königin zukommen ließ, um auf diese Weise allwissend zu erscheinen, wenn er ihr etwas verordnen sollte. Nun aber war der Doktor beunruhigt und verärgert. Wie der König spürte auch er instinktiv, dass ihm etwas verheimlicht wurde. Das sagte er auch zu Jehanne.
»Das wäre nicht nötig gewesen, Dame Jehanne. Ich hätte es viel besser einfädeln können, denn der König ist sehr verärgert, weil er nicht über die Abreise des Mädchens informiert wurde. Ich habe nicht gesagt, dass ich nicht helfen würde, sondern nur, ich bräuchte Zeit, um darüber nachzudenken und um herauszufinden, wie sich die Angelegenheit am günstigsten regeln lässt, ohne dass der König oder die Königin einen Nachteil davon haben. Ich war bereit, mit der Königin darüber zu sprechen, und hätte es Euch auch gesagt, wäre ich nicht so beschäftigt gewesen.«
»Aber Doktor Moss, ihre Abreise war dringend, wie Ihr sehr wohl wisst.«
Der Doktor murrte missmutig. Die alte Frau war keine gute Lügnerin. »Also liegt Annes Mutter tatsächlich im Sterben?« In seiner Stimme
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