Der Eid der Heilerin
außerordentliche und große Freude, Ladies. Vor allem werde ich mein Lebtag nicht vergessen, wie Ihr den groben Klotz vom Pferd geschlagen habt.« Anne und Deborah, die nicht unhöflich erscheinen wollten, hatten Mühe, ihr Kichern zu unterdrücken.
Der »grobe Klotz« - Sir Mathews getreuer Hauptmann - zog eine Grimasse und führte die Frauen zum Hintereingang von Blessing House. Er hatte den Auftrag erhalten, die Frauen so unauffällig wie möglich ins Haus zu schaffen. Und da Sir Mathew ihm und seinen Männern ein paar extra Silberlinge bezahlt hatte, damit sie den Mund hielten, schluckte er seinen Zorn hinunter. Zu dieser frühen Stunde waren die meisten Hausbewohner bei der Morgenandacht, deshalb war es nicht schwer, Anne und Deborah unbemerkt durch die
Küche ins Sonnenzimmer zu bringen, wo sie von Margaret bereits erwartet wurden. Nach einer tränenreichen Begrüßung saßen die Frauen eine Zeit lang schweigend an dem vertrauten Apfelholzfeuer und wärmten sich auf.
»Ich werde Euch Wasser bringen lassen, damit Ihr den Schmutz der Reise abwaschen könnt. Außerdem liegt saubere Kleidung bereit. Sir Mathew wird nach der Messe zu uns stoßen.« Es war ein sonderbares Gefühl, dass Margaret sich wie eine Dienerin um Annes Bedürfnisse kümmerte, aber ihre Gedanken wurden von einem Klopfen unterbrochen.
Lady Margaret gab den beiden Frauen ein Zeichen, sich im Abtritt zu verstecken, und gleich darauf streckte ein schüchternes Mädchen mit zwei großen Lederkübeln mit heißem Wasser den Kopf zur Tür herein. »Stell das Wasser ans Feuer, Yseul.« Schweigend huschte das Mädchen zum Kamin, wobei sie in ihrem Bemühen, alles richtig zu machen, ein wenig Wasser verschüttete. Als sie gegangen war, lächelte Margaret wehmütig und rief Anne und Deborah wieder herein. »Manchmal wünschte ich, du wärst wieder hier bei uns, Anne.«
Anne lächelte. »Aber ich bin doch wieder da, Lady Margaret. Und ich möchte Euch gerne wieder dienen, wenn das Euer Wunsch ist.«
Lady Margaret sah sie freundlich an. »Das erscheint mir nicht sehr wahrscheinlich, wenn es stimmt, was ich gehört habe«, meinte sie und blickte Anne und Deborah abwechselnd an.
»Mistress Deborah, beliebt es Euch, Euch zu säubern?« Anne griff lächelnd nach den Wasserkübeln, und Lady Margaret geleitete die alte Frau zur Garderobe, als wären sie auf einem großen Empfang bei Hof. Mit einer Verbeugung öffnete sie ihr die Tür. »Dort am Haken hängen ein sauberes Wollkleid und frische Unterkleider. Die Reisekleidung können wir später in die Waschküche bringen und reinigen lassen.«
Während Deborah sich wusch, kehrte Anne ans Feuer zurück und genoss die wohlige Wärme, die durch ihre erschöpften Glieder wanderte. Sehnsüchtig warf sie einen Blick auf das Bett. In der vergangenen Nacht hatte sie wenig und schlecht geschlafen. Sie und Deborah hatten vor den Mauern der Stadt in dem Kloster übernachtet, wo sie auch die Nacht verbracht hatten, bevor Anne zu den Cuttifers gekommen war. Beide waren im Schlafsaal von Flöhen heimgesucht worden. Anne gähnte, als Lady Margaret wieder zu ihr trat.
»Ich habe Betten herrichten lassen. Schlaf wird euch beiden gut tun.« Lady Margaret trat neben ihre ehemalige Zofe ans Feuer. »Nun, Anne, ist es wahr, deine ... Herkunft?«
Anne blickte in die brennenden Holzscheite und ließ einen Moment verstreichen, bevor sie zu Margaret aufsah. »Vielleicht. Es gibt Beweise. Einige habe ich gesehen. Deborah besitzt einige und auch Jehanne, meine Mistress bei Hof.«
Margaret seufzte, ließ sich auf einen zierlichen, mit Gold verzierten italienischen Stuhl sinken und strich die Falten ihres schlichten, aber eleganten Hauskleides glatt. »Natürlich, wir leben in gef ä hrlichen Zeiten ... wieder einmal.«
Die beiden Frauen schwiegen. Anne, die in den Wäldern des Westens groß geworden war, hatte von den Kriegen zwischen Edwards Vater, dem Herzog von York, und dem Hause Lancaster nichts mitbekommen. Ebenso wenig wie von den späteren Kämpfen, die in der Schlacht von Towton und Edwards Einnahme des Throns gipfelten. Aber sie hatte die zerstörten Felder und Dörfer gesehen, wenn sie und Deborah sich gelegentlich etwas weiter von ihrem Haus fortgewagt hatten.
»Ja, das stimmt«, sagte Anne schließlich. »Aber, Madam, ich kann nichts dafür.«
Lady Margaret lachte traurig. »Wie wahr. Niemand kann etwas für seine Geburt.«
Deborah, die ein hübsches, schlichtes, dunkelblaues Wollkleid trug, gesellte sich zu
Weitere Kostenlose Bücher