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Der Eid der Heilerin

Der Eid der Heilerin

Titel: Der Eid der Heilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Posie Graeme-evans
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Kaminsims von beeindruckender Größe. Die gewölbte Decke ruhte auf geschnitzten Holzbalken, die rot, blau und grün angestrichen waren und dem Raum ein stattliches Ansehen verliehen. Am anderen Ende des Saals führte eine weitere Treppenflucht zu der auf halber Höhe gelegenen Tür zum Sonnenzimmer. Giles lächelte stolz, als er Annes Blick bemerkte. »Ja, Mistress, dort befindet sich das Sonnenzimmer, von dem ich Euch erzählt habe. Ich habe es auf der anderen Seite anbauen lassen. Auf diese Weise haben wir schöne Privatgemächer gewonnen, die, wie Ihr sehen werdet, dem Sonnenzimmer in Blessing House in nichts nachstehen. Kommt mit, nur noch diese Stufen hinauf...«
    Das Sonnenzimmer war in der Tat ausgesprochen hübsch. An den Wänden hingen blank polierte Leuchter mit Wachskerzen, ein Luxus zu Ehren der Gäste, sowie einige farbenprächtige Teppiche, die das Grau der Mauern belebten. Auf den neuen, honigfarbenen Eichendielen lagen zwei wunderschöne, levantinische Teppiche, auch dies ein unerwarteter Luxus. Das Feuer, das zu ihrem Empfang angezündet worden war, duftete nach Heidekraut, und Deborah stieß einen tiefen, glücklichen Seufzer aus, als die Wärme durch ihre klammen Kleider kroch. Es war wie im Himmel.
    Doch es gab noch mehr zu sehen. Stolz öffnete Giles eine Tür zu einem weiteren Raum, dem Schlafzimmer der Eheleute, das nicht groß, aber luxuriös ausgestattet war. Das von Vorhängen verhüllte Bett befand sich auf einem kleinen Podest vor einem Erkerfenster mit beeindruckend vielen, klaren Glasscheiben. Von draußen war das Rauschen des Windes über dem nächtlichen Hochmoor zu hören, im Zimmer hingegen war es ruhig und gemütlich und duftete lieblich. Anne seufzte. Endlich begann sie sich sicher zu fühlen. An diesem abgelegenen, gastfreundlichen Ort würde sie doch gewiss niemand finden, oder?
    »Ich lasse Eure Kleider zum Trocknen in die Waschküche bringen. Das Essen wird in der Halle serviert. Eure Dienerin wird Euch wohl beim Ankleiden helfen, aber ich würde mich freuen, wenn ich Euch ebenfalls zur Hand gehen könnte.«
    Alicia lächelte freundlich, und Anne spürte Tränen in ihren Augen aufsteigen.
    »Ihr seid zu freundlich«, sagte sie, während Deborah sie aus dem klammen Wollkleid schälte, das sie auf der Reise getragen hatte, »aber Deb... meine Zofe ist auch ganz durch - nässt. Komm, Deborah, wärm dich auf. Mistress Alicia wird mir behilflich sein.«
    Dass Alicia sich angesichts dieser Fürsorge für eine Dienstbotin nicht überrascht zeigte, war auf ihr praktisch veranlagtes Wesen zurückzuführen. Die Londoner Sitten waren anders als die im Norden, und auch sie hatte Hausangestellte, die fast zur Familie gehörten.
    In dem kleinen Nebenraum des Sonnenzimmers tauten Finger und Glieder im Handumdrehen auf. Bald hatten Anne und Deborah die nassen Kleider ausgezogen, sich mit den Leinentüchern abgetrocknet, die Alicia vorbereitet hatte, und frische Kleidung angezogen. Annes steif gefrorene Hände erwachten wieder zum Leben, als Deborah sie kräftig abrieb. Und sie ließ es sich nicht nehmen, ihr das Samtkleid - das schlichteste aus der kleinen Reisetruhe - am Rücken zuzuschnüren. Der üppige Stoff war zerknittert, obwohl sie das Kleid so sorgfältig zusammengelegt hatte, aber er würde sich beim Tragen wieder aushängen, außerdem würde es im trüben Licht der Halle bestimmt nicht weiter auffallen.
    Giles stand unten am Feuer und wärmte sich den Rücken. Er war froh, wieder zu Hause zu sein, obwohl er wegen der unnötigen Ausgaben für die überall aufgesteckten Wachskerzen dringend mit Alicia sprechen wollte. Manchmal wurde er aus seiner Frau nicht schlau. Sicher, Anne war irgendwie rätselhaft, und Sir Mathew hielt sie für wichtig, aber welche Stellung sie genau hatte, wussten sie nicht. Warum Geld verschwenden, bevor sie nicht sicher sein konnten, dass es sich auch auszahlte?
    Seine leichte Verstimmung verging wie Morgennebel, als er die Frauen die Treppe herunterkommen sah. Anne trat an die Feuerstelle. Sie glühte wie ein dunkelrotes Juwel. Das flackernde Licht hob ihre feinen Gesichtszüge und die anmutigen Linien ihres Körpers unter dem scharlachroten Kleid hervor. Hinter ihm erhob sich bewunderndes Murmeln, als seine versammelten Hausangestellten sie zum ersten Mal richtig zu Gesicht bekamen.
    Anne machte in ihrem schlichten Kleid eine so vornehme Figur, dass Alicia neben ihr beinahe plump wirkte - bis sie ihn anlächelte und Giles wieder einfiel, warum er sie so

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