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Der Eid der Heilerin

Der Eid der Heilerin

Titel: Der Eid der Heilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Posie Graeme-evans
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Es mochte seltsam sein für eine Lady, aber gerade deshalb gefiel sie ihm.
    »Lady, mein Haus - ich meine, Sir Mathews Haus - ist stolz und glücklich, dass Ihr uns bis zum Frühjahr als Gast beehren werdet. In dieser Jahreszeit bekommen wir selten Besuch, und meine Frau Alicia wird überglücklich sein, Euch in unserem Sonnenzimmer zu empfangen.« Das Wort »Sonnenzimmer« sprach er mit verhaltenem Stolz aus. Er hatte es erst kürzlich im hinteren Teil des ersten Stockwerkes ausbauen lassen und erschreckend viel dafür ausgeben müssen. Es lag zwei Stockwerke über dem Winterstall, und da es sich an das Ende der Wohnstube anschloss, hatte es den Vorteil, dass dort der Gestank der Tiere weniger aufdringlich war. Nun war er froh, dass er so viel investiert hatte und der Gestank ihnen keine Schande machen würde.
    Anne war dankbar, dass Giles so taktvoll war, keine Fragen zu stellen. Es wäre ihr höchst unangenehm gewesen, ihm nur ausweichend antworten zu können.
    »Und wo ist Eure Dienerin? Ich habe ein Packtier dabei, aber wenn Ihr viel Gepäck habt, werde ich noch ein weiteres mieten müssen ...« Wie auf Kommando ertönte ein Klopfen, Deborah betrat den Raum. Sie trug ein hübsches, dunkles
    Kleid und eine weiße Haube, wie es ihrer neuen Rolle als Annes Bedienstete geziemte.
    Anne hatte nicht gewollt, dass Deborah ihr aufwartete, doch ihre Ziehmutter hatte darauf bestanden, um Anne in ihrer neuen Rolle glaubwürdiger erscheinen zu lassen. Deborah wusste, dass Anne unvermeidbaren Veränderungen entgegensah. Sich dem Schicksal zu fügen war klüger als sich dagegenzustellen. Anne würde nie mehr eine Dienstbotin sein - so viel hatte ihr ihre Seherschale verraten. Ihre Freunde hatten nun die Aufgabe, ihr bei ihrer Verwandlung zu helfen.
    Mit Janes bereitwilliger Unterstützung hatte Deborah Anne überreden können, die von Sir Mathew gespendeten neuen Kleider zu tragen. Während der drei Tage, die sie auf Giles warteten, hatte Deborah ihrer ehemaligen Tochter aufgewartet, wie Anne es früher bei Lady Margaret getan hatte.
    Jane hatte keine Fragen gestellt, als sich Annes Status plötzlich änderte. Sie hatte ihrem Vater und Sir Mathew Verschwiegenheit geloben müssen, und da sie ein gutes Herz und Sinn für Abenteuer besaß, bereitete ihr Annes Verwandlung von der Dienerin zur Hofdame großes Vergnügen. Sie war auch diejenige gewesen, die erkannt hatte, dass Annes wichtigste Vorzüge und Stärken, von ihrer Schönheit einmal abgesehen, ihre freundliche Art und ihre unprätentiösen Umgangsformen darstellten. Die größte Zierde einer Dame war, sich selbst treu zu blieben - eine seltene Tugend bei einer so jungen Frau.
    Jane brannte darauf, mehr zu erfahren, und hätte liebend gern Fragen gestellt, doch wenn sie Anne wehmütig über das kalte, graue Meer blicken sah, hielt sie irgendetwas davon ab. Solch merkwürdige Dinge ereigneten sich nicht ohne Grund, und dass ihr Vater damit zu tun und ihr nichts gesagt hatte, war Grund genug für sie, sich wohlweislich zurückzuhalten und nicht nachzufragen.
    Das Gespräch zwischen Anne und Giles im Besucherzimmer der Abtei war kurz, dann war es Zeit, aufzubrechen, Jane nach York und Anne und Deborah nach Burning Norton. Als die Frauen im windgeschützten Torhof der Abtei standen, wurde Anne von einer Woge der Traurigkeit ergriffen, denn während der vergangenen Tage waren sie und Jane einander sehr nahe gekommen. Als die beiden einander ein letztes Mal umarmten, drückte Jane ihrer neuen Freundin ein Abschiedsgeschenk in die Hand. Es war eine Mantelbrosche, ein großer, mit Perlen eingefasster, grünblauer Topas. Anne hatte das wertvolle Stück schon an Jane gesehen und seine Schönheit bewundert.
    »Es ist viel zu kostbar, das kann ich nicht annehmen. Außerdem kann ich Euch nichts schenken.«
    »Sie hat fast dieselbe Farbe wie Eure Augen. Wenn ich an Euch denke, werde ich immer auch die Brosche sehen, die Euch auf Euren Wegen begleiten wird, wohin auch immer die Reise gehen wird.«
    Beide Mädchen empfanden eine tiefe Verbundenheit füreinander.
    Giles drängte zum Aufbruch und trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen, als Anne ihrer Freundin nachwinkte, bis sie nicht mehr zu sehen war. Jane ritt in südlicher Richtung nach York, wohingegen sie die Straße nach Westen nehmen mussten. Die Reisenden bestiegen die zottigen, ausgeruhten Ponys - nur Giles ritt auf einem stattlichen Ross - und machten sich nach Burning Norton auf. Auf der gut befestigten Straße setzten

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