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Der Eid der Heilerin

Der Eid der Heilerin

Titel: Der Eid der Heilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Posie Graeme-evans
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Eskorte zeigte mit einem Nicken in Annes Richtung auf eine große Holztruhe.
    »Für Euch, Lady.« Er ging, und die beiden Frauen hörten, wie der Schlüssel im Schloss umgedreht wurde.
    In der Truhe lag ein kostbares, sorgfältig zusammengelegtes Kleid. Als Deborah das goldene Oberreil und den mit Perlen übersäten, glänzenden Rock aus schwarzem Samt ausschüttelte, fiel eine kleine, mit rotem Wachs versiegelte Schriftrolle zu Boden. Anne zerbrach das Siegel und las die schlichte Botschaft: »Eile dich, ich träume von dir.« Unterschrieben war sie mit einem einzigen Wort: »Edward«
    Verwirrt sah Anne Deborah an.
    »Er weiß also von nichts?« Deborah verzog das Gesicht, musste aber zugeben, dass dies der Brief eines verliebten Mannes und nicht eines rachsüchtigen Herrschers war.
    Anne lachte unsicher. Das herrliche Kleid, das Verlangen, das aus seinen Worten sprach, entbehrten nicht einer gewissen Ironie. Während der eisigen Reise gen Süden war sie ständig zwischen Leidenschaft und Furcht hin- und hergerissen gewesen, hatte sich danach gesehnt, den König wiederzusehen, und sich zugleich gefürchtet, was er ihr sagen würde. Was hatte dieses heimliche Treffen zu bedeuten? Er wollte sie zu seiner Geliebten machen - das Spiel war vorbei. Oder es begann jetzt erst richtig.
    Nun gut, er hatte sie mit diesem königlichen Kleid beschenkt, ohne zu wissen, wer sie war, und es wäre ihr ein Leichtes, sich damit in eine Königstochter zu verwandeln ...
    Die Frauen hörten den Schlüssel im Schloss, dann ging die Tür auf, und Doktor Moss kam herein. Ein Freund, endlich! Anne begrüßte ihn mit einem erleichterten Lächeln.
    »Doktor Moss! Wie schön, Euch zu sehen.« Einen Augenblick lang sah der Arzt sie unbehaglich an, dann verneigte er sich und lächelte charmant.
    »Ich würde gern etwas später mit Euch sprechen, Mistress Anne, aber wir werden erwartet und müssen uns beeilen.«
    Moss legte einen schwarzen Samtmantel um Annes Schultern und zog ihr die Kapuze über den Kopf, die ihr Gesicht fast vollständig bedeckte. Dann trat er einen Schritt zurück, deutete ihr mit einer Verbeugung an, ihm zu folgen, und schickte Deborah mit einer knappen Geste in das Zimmer zurück. Als Anne protestieren wollte, schüttelte Moss den Kopf. »Nein. Nur Ihr allein.«
    Wieder schwang dieses Unbehagen in seiner Stimme, und er vermied es, Anne in die Augen zu sehen. Die Angst griff mit eisigen Fingern nach ihren Eingeweiden. Plötzlich begriff sie. Moss spielte ein eigenes Spiel, sie konnte ihm nicht vertrauen. Jetzt konnte nur noch ihr klarer Verstand sie und Deborah retten. Also schwieg sie und passte ihre Schritte den seinen an.
    Anne bemerkte sofort, dass sie die belebteren Teile des großen Palasts umgingen. Aus der Ferne hörte sie Musik und laute Stimmen; irgendwo wurde ein Fest gefeiert. Einen Moment lang wurde sie von wehmütigen Erinnerungen heimgesucht. Alle würden sie dort sein, Jehanne, Evelyn und auch Rose. Ungehalten schüttelte sie den Kopf und verzog das Gesicht. So weit war es schon gekommen, dass sie sich Rose mit Wehmut erinnerte!
    Sie erklommen eine Treppe in einem der älteren, wenig genutzten Flügel des Palasts. Dann standen sie vor einer Eichentür. Doktor Moss klopfte an, erst einmal, dann zweimal, dann wieder einmal. Die Tür ging auf, und da stand er - Edward, groß und strahlend, in einem gelbbraunen, von Juwelen glitzernden Samtwams. Wortlos trat er einen Schritt zurück und ließ seine Augen mit einem schwer einzuordnenden Gesichtsausdruck über Annes Gesicht und Körper wandern.
    »Lasst uns allein, Moss.« Seine Stimme erfüllte ihren Kopf wie Meeresrauschen, und sie bemerkte kaum, dass der Doktor im Gehen die Tür hinter sich schloss.
    »Den Mantel, Anne. Leg ihn ab.« Seine Stimme hatte einen merkwürdig angespannten Klang, aber irgendwie fand sie die Kraft, sich aufzurichten und ihm direkt in die Augen
    zu sehen, obwohl ihr Herz raste wie das eines gejagten Rehs. Stumm knüpfte sie das Seidenband an ihrem Hals auf und ließ den Umhang von ihren Schultern gleiten. Der König atmete mit einem tiefen Seufzen aus.
    Das Schweigen zwischen ihnen breitete sich immer weiter aus. Der König trat zu einem der Kohlebecken, die zu beiden Seiten eines prachtvollen, mit dicken, weichen Kissen und einer purpurroten Samtdecke bedeckten Bettes aufgestellt waren. Er streckte die Hände aus, um sie zu wärmen.
    »Warum bist du vor mir davongelaufen, Anne?«, fragte er mit dem Rücken zu ihr.
    Als sie antwortete,

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