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Der Eid der Heilerin

Der Eid der Heilerin

Titel: Der Eid der Heilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Posie Graeme-evans
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vierhundert Yards von Mathew Cuttifers Haus entfernt, doch der Weg bot sich für eine prunkvolle Prozession mit der Kutsche an. Außerdem wollte Mathew seine Frau nicht unnötig anstrengen, bevor er nicht ganz sicher sein konnte, dass sie vollständig genesen war. Ungeduldig wartete er auf das Eintreffen der Kutsche. Es war kalt, und er war besorgt, Margaret könnte sich trotz ihrer warmen Kleidung in der heimtückischen Winterluft erkälten.
    Piers stand zwischen den Hausangestellten hinter Mathew und seiner Frau und beobachtete Anne, die Lady Margaret aufwartete. Ihr offenes Haar flatterte im eisigen Wind. Er lächelte selbstgefällig, bis ihm auffiel, dass Aveline bemerkt hatte, wie er dem jungen Mädchen schöne Augen machte. Galant zog er seine Seidenkappe mit der hübschen Feder, doch Aveline wandte sich verächtlich ab. Piers schnaubte - Aveline sollte sich bloß nicht zieren, sie hatte doch gesehen, dass er sich für eine andere interessierte. Wehe ihr, wenn sie ihm eine Szene machen wollte!
    Endlich fuhr die große Stadtkutsche am Portikus von Blessing House vor. Der Stallbursche, der die Pferde führte, hatte vor Menschen kaum die Kutsche vom Hinterhof zum Vorderhaus schaffen können. Wortreich entschuldigte er sich für die Verspätung, schloss jedoch eilig den Mund, als er einen scharfen Blick seines Herrn auffing. Der Herr mochte keine Entschuldigungen.
    Die kurze Strecke bis zur Abtei dauerte fast eine Stunde. Menschentrauben verstopften die enge Straße, die zur King Street und den dahinter liegenden Bauten der Westminster Abbey führte. Aveline und Anne gingen in einiger Entfernung hinter der Kutsche her, umgeben von Küchenmägden und
    Dienstboten. Alle waren im Sonntagsstaat, und viele hatten sich zu Ehren der Heiligen Jungfrau Stechpalmenzweige ans Gewand geheftet.
    Die Kapelle des heiligen Peter war während der vergangenen hundert Jahre häufig umgebaut und verschönert worden, denn hier befand sich das Grabmal von König Edward dem Bekenner, der heilig gesprochen worden war. Nach Canterbury war dies die wichtigste Wallfahrtsstätte im englischen Königreich. Die nachfolgenden Äbte hatten dafür gesorgt, dass die im benachbarten Westminster Palast residierenden Könige sich verpflichtet fühlten, das Werk ihrer frommen Vorfahren zu erweitern, zu verschönern und zu erhalten. Und obwohl die Bauarbeiten kein Ende nahmen, hieß es, wer dieses heilige Gebäude betrete, bekomme einen Vorgeschmack auf das Paradies. Die großen, bunten Glasfenster, die bemalten Statuen, das golden und silbern ausgeschmückte Altarbild und die edelsteinbesetzten Königsroben allein genügten schon, die Sinne zu betören. Doch wenn sich die Stimmen der Mönche Gott lobend und preisend erhoben, glaubte man fast, die Mauern selbst atmeten göttliche Gnade aus.
    Sojedenfalls erschien es Anne, als sie versuchte, ihrer Herrschaft in der sich durch das Hauptschiff zum Altar drängenden Menge zu folgen. In der Dunkelheit leuchteten die Kerzen wie Blüten, und alles, was die Menschen zum Ruhme Gottes erschaffen hatten, war so wunderschön und vom aromatischen Duft der Kerzen erfüllt, dass ihr schwindelte.
    Wie in Trance ließ sie sich von der Menschenmasse wie von einer Welle vorantreiben. Sie fühlte sich beschützt, obwohl sie geschoben und von Ellbogen gestoßen wurde, denn viele suchten einen Platz, von dem aus sie die Messe und die Ankunft des Königs am besten sehen konnten.
    Plötzlich erhoben sich immer lauter werdende Stimmen, »Der König, der König ...« Auch Anne wollte den König sehen, und ohne darauf zu achten, was sie tat, kletterte sie wie ein Kind im Obstgarten mit Händen und Füßen an einem steinernen Gebilde hoch, das mit kleinen Statuen übersät war, die ihr als Griffe dienten. Schließlich hatte sie eine beachtliche Höhe erreicht, und erst als sie von oben hinabsah, stellte sie fest, dass sie das aufwändig geschmückte Denkmal eines Edelmanns erklommen hatte, der mehr Geld als Geschmack besessen zu haben schien. Unter ihr schüttelten ein paar Frauen empört den Kopf, wohingegen einige Männer, die sie hatten klettern sehen, lächelnd zu ihr emporblickten.
    Anne war viel zu aufgeregt, um sich zu genieren. Von ihrem Ausguck hatte sie einen ungehinderten Blick auf das Nordportal, von wo der König erwartet wurde. Seit ihrer Ankunft in London hatte sie viel über ihn gehört, ihn aber nie persönlich zu Gesicht bekommen. Unter ihr schob sich nun eine zähe Prozession von Menschen durch das

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