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Der Eid der Heilerin

Der Eid der Heilerin

Titel: Der Eid der Heilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Posie Graeme-evans
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Wanken zu bringen. Im Angesicht von Margarets Freude und Annes strahlender Heiterkeit in diesem Augenblick der Vollendung kam sie sich unerwünscht vor. Wie hatte sie zulassen können, dass sich dieses Mädchen so bei ihrer Herrin einschmeichelte? Noch etwas anderes störte sie - widerstrebend gestand sie sich tief in ihrem Herzen ein, dass Anne ihr nichts Böses wollte und oft genug versuchte, ihr die Freundschaft anzubieten. Warum konnte sie dieses Angebot nicht annehmen, ihr Herz öffnen und ihr vertrauen? Aveline verscheuchte diese unerwünschten Gedanken mit einem Kopfschütteln und fuhr betont laut fort: »Zuerst die Unterkleider, Madam. Anne! Lass das Kleid nicht auf dem Boden schleifen! Wo bist du heute nur mit deinen Gedanken?« Fahrig zog Aveline ihrer Herrin das feinseidene Unterkleid über den Kopf. »Bitte, steht still, Lady Margaret«, sagte sie verzweifelt, als diese ungeduldig auf- und abwippte.
    Margaret lachte. »Noch nicht fertig, Aveline? Ich glaube, du hast heute zwei linke Hände.« Endlich durfte Anne das nachtblaue Gewand über das feine Unterkleid ziehen. Gemeinsam mit Aveline schnürte sie es hinten, so fest es ging, zu.
    »Hier, Mistress - seht es Euch an.« Aveline schob Lady Margaret vor einen Spiegel, der an der Wand neben dem großen Fenster hing. Obwohl das Spiegelbild leicht verzerrt war, zeigte es eine hoch gewachsene, schöne Frau mit einem schlanken Hals und einem ovalen Gesicht, das über dem nachtblauen Samt perlweiß schimmerte.
    Margaret betrachtete sich stumm im Spiegel. Es war ein erhebender Augenblick. Dann sah sie nachdenklich zur aufgehenden Sonne hinaus. »Ich danke Gott, dass er mir Leben und Gesundheit wiedergeschenkt hat und dass ich den Sonnenaufgang dieses Tages erleben darf. Ich weiß, alles Fleisch ist vergänglich, doch für diesen Tag empfinde ich tiefe Dankbarkeit.«
    In diesem Moment schlug ihre Stimmung wieder um, und sie klatschte in die Hände. »Und nun möchte ich euch beiden für all das danken, was ihr in den vergangenen Monaten für mich getan habt; für eure hingebungsvolle Pflege und die heilende Wirkung deiner Tränke, Anne ...« Aveline wandte sich ab. Die Heiltränke waren ein wunder Punkt zwischen den beiden Mädchen. »Ich möchte euch etwas schenken!«
    Lady Margaret bewahrte zahlreiche Kleider in der Holztruhe am Fenster auf. Rasch sah sie sie durch, wobei ihr unbewusst der Duft der Lavendelsäckchen in die Nase stieg, die zur Abwehr von Insekten zwischen den Kleidern lagen. Sie zog ein sorgfaltig zusammengelegtes, blaugrünes Damastkleid und ein fein gewebtes, kupferfarbenes Wollkleid mit einem breiten Marderpelzkragen hervor. »Es wäre mir eine Freude, wenn ihr das anziehen würdet!«
    Lady Margaret musterte die beiden Kleider und reichte Aveline das Wollkleid - eine gute Entscheidung, denn der warme Ockerton schmeichelte ihrer weißen Haut und ihrem dicken, beinahe schwarzen Haar. Anne gab sie das grüne Kleid, die das herrliche Geschenk begeistert entgegennahm und es mit Avelines Unterstützung, die ihr ausnahmsweise bereitwillig half, in nicht einmal einer Minute angezogen hatte. Das hochgeschlossene Mieder war an manchen Stellen, vor allem unter der Brust, etwas zu weit, was jedoch mit einer breiten, roten Schärpe, die eng um die Taille gebunden wurde, behoben werden konnte.
    »Na, bitte, das sieht hübsch aus«, sagte Margaret lächelnd. »Aveline, dieser Schleier und der Haarreif sind für dich. Anne, du kannst dein Haar offen tragen. Das steht dir gut und ziemt sich auch.«
    »Anne, hör auf zu träumen! Hol Lady Margarets besten Mantel.« Anne beeilte sich, Avelines Anweisung nachzukommen, die währenddessen rasch das Haar der Herrin mit einem breiten Perlenband hochsteckte und mit Hilfe eines Silberkammes einen duftigen Seidenschleier an ihrer Haarkrone befestigte, der sich sanft um ihre Schultern legte.
    Anne bewunderte Avelines Werk. Sie war eine Künstlerin und wusste instinktiv die Schönheit der Lady durch kleine
    Details hervorzuheben. Sie seufzte. Vielleicht hätte sie später am Tag Gelegenheit, sich mit Aveline auszusprechen. Es wäre so viel einfacher, wenn sie Freundinnen sein könnten. Irgendwie musste sie das Aveline klar machen.
    Lady Margaret war nun zu Avelines Zufriedenheit hergerichtet und ging gemessenen Schrittes zur Tür. Dann holte sie tief Luft und schritt über die Schwelle. Dieses war das erste Mal seit vielen Monaten, dass sie ihr Gemach verließ.
    Margarets Ehemann kniete auf seinem Betstuhl im

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