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Der Eid der Heilerin

Der Eid der Heilerin

Titel: Der Eid der Heilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Posie Graeme-evans
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Silberbecher, den er zuvor seiner Gastgeberin angeboten hatte, die ihn jedoch lediglich mit den Lippen berührt hatte. Anne beobachtete Edwards Schluckbewegungen, und als er den kostbaren Becher auf die Tischplatte knallte und ein zufriedenes Rülpsen ausstieß, ermahnte sie sich zur Wachsamkeit, denn ihr oblag die ehrenhafte Pflicht des Nachschenkens.
    Eilig stürzte sie nach vorn, ergriff den mit Silber beschlagenen Krug, der zwischen dem König und ihrer Herrin stand, und schenkte so vorsichtig wie möglich von dem schweren, süßen Hippocraswein ein. Die Nähe des Königs hatte eine geradezu berauschende Wirkung auf sie, und ihre Hände zitterten, als sie beim Einschenken seinen Geruch einatmete. Am liebsten hätte sie die langen Finger berührt, die der König anmutig auf den Tisch gelegt hatte, während er angeregt mit seinen Gastgebern plauderte.
    »Master Mathew, ich suche Euren Rat als geachteter Kaufmann in dieser Stadt - genug, Mädchen!«
    Anne errötete, denn sie hatte den Becher fast bis zum Ü berlaufen gefüllt.
    Der König lachte. »Dieses schöne Kind wird mich im Nu unter die Festtafel bringen, wenn sie mir weiterhin so großzügig einschenkt, Master Mathew!« Doch sein warmherziger Blick nahm seinen Worten jegliche Schärfe und machte sie noch verwirrter und atemloser als zuvor. Der König war entzückt über diese Reaktion. »Komm, komm, so ein bescheidenes Mägdelein - und ganz bestimmt ein echtes, im Gegensatz zu der blonden Jungfrau mit dem Drachen dort draußen.«
    Inmitten des herzhaften Gelächters, in das sogar Lady Margaret einstimmte, gelang es Anne, sich wieder auf ihren Platz hinter dem Stuhl ihrer Herrin zurückzuziehen, wo sie ihr brennendes Gesicht zu Boden senkte und um ihre Fassung rang. Warum nur sehnte sie sich so nach den süßen Qualen, die ihr König ihr bereitete?
    Aveline hatte fast das Ende der Halle erreicht, als sie den König lachen hörte. Sie drehte sich um, und bei Annes Anblick, die sich mit gesenktem Kopf hinter den Stuhl zurückzog, frohlockte sie über die Verlegenheit dieser dummen Gans. Doch dann sah sie den warmherzigen, nachdenklichen Blick, den der König dem Mädchen zuwarf. Anne konnte ihn nicht sehen, da sie die Augen verschämt auf den Boden geheftet hatte - Aveline aber zitterte vor Wut und Rachegelüsten. Warum nur waren alle Männer von diesem Milchgesicht so angezogen? War sie selbst mit einem Mal unsichtbar geworden? Verzweifelt eilte sie weiter, um nach Piers zu suchen. Im Grunde war sie sich ihrer Wirkung auf Männer sehr sicher, doch nun nagte plötzlich Unsicherheit an ihrem Selbstbewusstsein. Sie schüttelte den Kopf, um die trüben Gedanken zu verscheuchen. Nein, sie hatte sich heute etwas vorgenommen und würde sich nicht davon abbringen lassen.
    Zum Glück hatte Piers seine schlechte Laune schon an seinem Leibdiener John ausgelassen, der Prügel bezogen hatte. Der letzte Knopf an seiner zweitbesten Cotehardie aus rotem Samt war gerade zugeknöpft, als es an seiner Tür klopfte. Obwohl er sich wieder ein wenig beruhigt hatte, sah er Aveline finster entgegen und sprach unfreundlicher als beabsichtigt. »Was gibt's?«
    Das Mädchen errötete und warf John einen raschen Blick zu.
    »Steh nicht herum und glotz, du Idiot. Verschwinde!«, schrie Piers. John, ein schmächtiger Junge, dem dank eines früheren Wutausbruchs seines Herrn ein Schneidezahn fehlte, floh dankbar aus dem Zimmer und schloss mit übertriebener Sorgfalt die Tür hinter sich.
    Aveline stand unschlüssig da, während Piers sich bewundernd vor der polierten Oberfläche seines silbernen Waschkruges drehte. Er genoss es, Herr der Lage zu sein, und zudem versprach er sich noch einigen Spaß mit ihr, denn sonst wäre sie nicht gekommen und würde ihn so flehend anschauen.
    Langsam drehte er sich um und musterte sie dreist. »Du siehst sehr hübsch aus in diesem Kleid, Aveline. Rotbraun passt gut zu deinem Teint.«
    Aveline sah ihn erst verwirrt, dann voller Hoffnung an.
    »Schließ die Tür, Mädchen.« Seine Stimme hatte einen seidenweichen Ton angenommen. Aveline lächelte. Schon viel besser. Geschmeidig ging sie auf ihn zu, während sein Blick über ihren Körper wanderte, vor allem über das Mieder, das sie bis zur Grenze des Anstands nach unten gezogen hatte. Sie wusste, dass sie wie eine Dame aussah und gleichzeitig aufreizend liederlich wirkte.
    »Ich habe etwas für dich, Aveline. Eine Überraschung.« Inzwischen stand sie vor ihm, und er legte seinen Arm um ihre Mitte.

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