Der Eid der Heilerin
Buße auferlegen.
Ihre Gedanken wurden vom allgemeinen Aufbruch unterbrochen. Schwatzend strömte die Gesellschaft hinter dem König, Master Mathew und Lady Margaret zur großen Pforte von Blessing House.
Wieder hielten Anne und Aveline die Schleppe, und Anne bemerkte besorgt, wie erschöpft ihre Herrin wirkte. Stoisch stand sie neben ihrem Ehemann und wünschte jedem einzelnen Mitglied des Hofes Lebewohl.
Auch Mathew war besorgt - Margarets Müdigkeit war ihm nicht entgangen -, deshalb fielen seine Abschiedsworte ein wenig harsch aus, als er versuchte, ein paar Sitzenbleiber aus dem Haus zu komplimentieren, ohne dabei seine Gastgeberpflichten zu verletzen.
Als auch die letzten Nachzügler endlich gegangen waren und das Haupttor geschlossen wurde, berührte Mathew zart die Hand seiner Frau. »Kommt, Frau. Dieser Tag hat seinen Tribut gefordert. Aveline! Sorg dafür, dass das Bett vorgewärmt wird, während ich deine Mistress in ihr Gemach führe«, sagte er.
Aveline drehte sich zu Anne um. »Hol Kohlen, aber schnell. Und sieh zu, dass sie für zwei Bettpfannen reichen. Spute dich, alles muss fertig sein, bevor Lady Margaret ins Bett steigt«, befahl sie giftig, wandte sich wieder um und hob die Schleppe des blauen Kleides auf. Anne eilte auf dem schnellsten Weg in die Küche.
Natürlich kannte sich Anne in Blessing House mittlerweile ebenso gut aus wie in Deborahs Küchengarten. Deshalb raffte sie, kaum war sie außer Sichtweite, ihre Röcke und rannte los. Trotzdem brauchte sie mehrere Minuten, bis sie die große Tür zu Maitre Gilles' Reich erreichte.
Bis zu diesem Tag hatte sie es vermieden, die steinerne Frau zu betrachten, die sich behaglich auf dem Türsturz räkelte, denn sie hatte Avelines Warnung nicht vergessen und wollte ihr Ansehen unter den Knechten nicht verlieren. Heute aber blieb sie kurz stehen und sah zu der Gestalt empor. Der Gesichtsausdruck der Frau fesselte sie: Die Augen waren halb geöffnet, die leicht geteilten Lippen zu einem Lächeln verzogen, sie genoss augenscheinlich das Ziehen des Säuglings an ihrer Brust und öffnete mit einer Hand das Oberteil ihres Kleides, als wollte sie, zum Ergötzen des Knaben oder des Betrachters, auch noch ihre zweite Brust entblößen.
Vielleicht lag es an den aufregenden Ereignissen dieses Tages, jedenfalls war Anne vom Lächeln der Frau und der unübersehbaren Freude an ihrer eigenen Sinnlichkeit auf eine ihr gänzlich neue und unbekannte Weise berührt. Der Bildhauer war offensichtlich ein großer Könner, denn auch die beiden kraftstrotzenden Männer, die die Frau trugen, waren bis ins Detail ausgearbeitet, so dass jeder einzelne Muskelstrang lebendig erschien. Zaghaft streckte das Mädchen die Hand aus, um die Stelle zu berühren, wo sich unter dem Lendentuch der Riesen eine mächtige Wölbung abzeichnete.
»Gute Arbeit, nicht wahr, Anne?«
Schuldbewusst wirbelte Anne herum. Piers lehnte direkt hinter ihr an der Wand und betrachtete sie amüsiert. Ihr Gesicht brannte vor Scham. Ä ngstlich deutete sie einen Knicks an und machte sich daran, die schwere Küchentür zu öffnen. Doch sie war nicht schnell genug. Piers packte sie am Handgelenk, zog ihre Hand von der eisernen Türklinke fort und zwang sie, ihm ins Gesicht zu schauen.
»Weißt du, dass manche Männer in diesem Haus diese Stelle berühren, so wie du es eben tun wolltest«, sagte er, zog ihre Hand zum Türpfosten und strich mit ihren Fingern über das gespannte Lendentuch des ersten Riesen, »bevor sie ihre Weiber besteigen?«
»Lasst mich gehen, Ihr tut mir weh, und ich muss ...«
Doch inzwischen hatte er auch ihre andere Hand gepackt und zog sie von der Küchentür fort. Er schob sie an die Wand und drückte sie mit den Schultern gegen die Mauer. »Ich könnte dir zeigen, warum sie das tun, Anne - soll ich? Spürst du das? Hart, nicht wahr?«
Mit einer Hand hielt er ihre Handgelenke fest, mit der anderen tastete er unter ihre Röcke. Sein Mund lag an ihrem Hals, ehe seine Zunge nach unten zu ihren Brüsten zu wandern begann.
»Piers. Lasst mich gehen - sofort!«
Er war sehr stark. Er presste sie an die Wand, schob ihr Kleid bis über die Hüften, drängte sich mit gespreizten Beinen an ihren Körper und rieb sich keuchend an ihrem Bauch.
Anne nahm noch einmal alle Kraft zusammen und rammte ihm verzweifelt ihr Knie in die ungeschützten Leisten. Er jaulte vor Schmerzen auf und ließ sie los. Sie flüchtete.
Schluchzend vor Zorn und Furcht wuchtete sie die Tür zur Küche auf
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