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Der Eid der Heilerin

Der Eid der Heilerin

Titel: Der Eid der Heilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Posie Graeme-evans
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giftigen Blicke der Zofe aller Mut verließ.
    »Seht, Mistress, da ist sie endlich! Hast wohl gedacht, du kannst dich in der Küche mit den Männern herumtreiben, während Lady Margaret warten muss, bis du die Güte besitzt, endlich zu kommen!«
    Es hatte keinen Sinn, darauf zu antworten. Sie biss die Zähne zusammen und wies Corpus stumm an, die Bettpfannen zu füllen, während sie die Bettdecken aufschlug.
    Aber Aveline ergriff die lang ersehnte Gelegenheit beim Schopf. »Madam, habe ich ihr nicht oft genug gesagt, sie möge sich auf ihre Arbeit konzentrieren und nicht mehr als nötig mit den Männern sprechen. Aber leichte Mädchen wie sie wollen einfach nicht gehorchen. Da, seht nur, sie hat das feine Kleid verdorben, das Ihr ihr geschenkt habt. Das Mieder ist eingerissen. Das ist bestimmt passiert, als sie mit den Küchenknechten oder vielleicht sogar mit dem Schweineknecht geschäkert hat.«
    Corpus, der die Kohlen in die Bettpfannen legte und Lady Margaret und Aveline den Rücken zukehrte, grinste Anne anzüglich an und fuhr lüstern mit dem Zeigefinger in ein Loch, das er mit der anderen Hand geformt hatte, während er wollüstig sein zahnloses Zahnfleisch leckte.
    Anne blieb stumm, doch ihr Gesicht war von einer flammenden Röte überzogen, die Aveline nicht entging. »Seht nur, Mistress - ihr Gesicht verrät sie!«
    Lady Margaret beschloss, der Beschimpfung ihrer jungen Zofe ein Ende zu setzen. »Genug, Aveline, es reicht jetzt. Bring mir den Schlafrock. Corpus, das ist genug. Du kannst wieder in die Küche gehen.«
    Der Alte ließ seine ungewöhnlich rote Zunge ein letztes Mal in Annes Richtung schnellen, und Aveline eilte zur Garderobe. Lady Margaret winkte ihre jüngere Zofe herbei.
    Sie sah, dass Anne sehr unglücklich über etwas war, und auch, dass sie vergeblich versucht hatte, den Riss in ihrem Mieder zu verbergen. Sie versuchte, das Mädchen zum Sprechen zu bewegen. »Sag mir, was passiert ist, Anne. Ich sehe doch, dass dich etwas bedrückt.«
    Anne schüttelte den Kopf und sah starr zu Boden.
    »Komm, Kind. Das ist doch sonst nicht deine Art. Wenn du es mir nicht erzählst, kann ich dich auch nicht schützen. Was auch immer geschehen ist, ich glaube nicht, dass es deine Schuld war. Ein hübsches Aussehen kann manchmal ein Fluch sein, und erst wenn du ein wenig älter bist, weißt du, mit dem Gesicht und der Figur umzugehen, die unser guter Herr dir zu schenken geneigt war.«
    Margarets freundlicher Ton traf Anne mitten ins Herz, und sie konnte die Tränen nicht länger zurückhalten. »Madam, es ist nichts. Nur ein dummer Zwischenfall.«
    Aveline kam zurück und schnaubte verächtlich.
    »Aveline! Du vergisst, dass Anne noch sehr jung ist. Irgendetwas hat sie tief verstört«, sagte Margaret.
    »Bei allem Respekt, Madam, sollte ihr irgendetwas Kummer bereiten, hat sie es garantiert selbst zu verantworten. Wie ich schon sagte, sie ist ein Luder.«
    »Das bin ich nicht! Oh, Madam, das stimmt nicht, Ihr müsst mir glauben. Das habe ich nicht gewollt!«, rief Anne empört.
    »Nun, nun, Kind. Ich glaube dir ja. Beruhige dich. Wir werden das in aller Ruhe besprechen, wir zwei. Aber erst muss ich wissen, was passiert ist.«
    Doch wieder schüttelte Anne nur den Kopf. Margaret sah das Mädchen prüfend an und fasste einen Entschluss. Abgesehen vom Schock schien ihr nichts weiter zu fehlen. Vielleicht sollte Anne erst einmal darüber schlafen und fand morgen den Mut, mehr zu erzählen. Dann konnte sie sich immer noch darum kümmern. Doch nun war sie selbst todmüde und sehnte sich nach Schlaf.
    Während die beiden Mädchen ihre Herrin entkleideten und ihr unter die vorgewärmten Decken halfen, war Aveline instinktiv klar, dass sie mit ihren Schikanen gegenüber Anne zu weit gegangen war. Doch es war zu spät. Anne sagte die Wahrheit, und die Herrin glaubte ihr. Und schlagartig wusste sie es, mit eisiger Gewissheit: Piers. Allein bei dem Gedanken daran wurde ihr schwindlig vor Angst und Wut. Sie hatte doch gesehen, wie er hinter dem Mädchen herschnüffelte, sogar heute. Sie musste wissen, was geschehen war. Also versuchte sie Anne zum Reden zu bringen, ohne dass Margaret etwas davon mitbekam. Doch auch als sie Margarets herrliches Samtkleid zusammenlegten, das Sonnenzimmer aufräumten und im Kamin Holz nachlegten, ließ Anne sich nichts entlocken. Als der kurze Wintertag zu Ende ging, entließ Aveline das Mädchen enttäuscht. Sie solle sich etwas zu essen holen, aber wehe, wenn sie nicht sofort wieder

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