Der Eid der Heilerin
Zukunft in irgendeiner abgelegenen Stadt als Prostituierte durchschlagen.
Ihr Entschluss stand fest. Ja, mit Hilfe der heiligen Mutter Gottes würde sie einen Weg finden, Piers zu heiraten, auch wenn sie schwanger und ohne Mitgift war, aber sie hatte nichts zu verlieren. Sie würde eine Lady werden und dieses Kind behüten. Und sie würde für die Todsünden büßen, die Piers ihr aufgezwungen und an denen sie zum Schaden ihrer Seele Vergnügen gefunden hatte.
Aveline kniff die Augen zusammen und sprach eilig ein weiteres Ave Maria, um den Gedanken zu verdrängen, auf welches mörderische Unternehmen sie sich eingelassen hatte. Piers hasste sie aus vollem Herzen - würde sie ihn umstimmen können? Konnte Hass, wenn nicht in Liebe, dann wenigstens in Nachsicht verwandelt werden? Besaß sie die Kraft dazu? Unwillkürlich legten sich ihre Hände auf ihren Bauch und verweilten dort. Maria würde sie verstehen.
Leise trat Vater Bartolph ein und zündete die beiden großen Kerzen am Altar an. Dann öffnete der Priester das verzierte kleine Kästchen, das den Leib des Herrn barg. Mathew kam, kniete sich in seine Bank, bekreuzigte sich und stieß einen tiefen Seufzer aus.
Piers bemerkte entsetzt, dass der Pfarrer in vollständiger Amtstracht erschienen war, als wollte er eine Messe abhalten. Er spürte den ernsten Blick von Vater Bartolph auf sich, als dieser sich der kleinen Gemeinde zuwandte.
»In nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti. Amen.«
Automatisch sprach Piers das Amen mit, während sich sein Magen aus Nervosität und Angst verkrampfte. In Margarets Sonnenzimmer hatte er Avelines Behauptung spontan von sich gewiesen, doch nun war er unsicher geworden. Er wusste, dass sein Vater nichts mehr verachtete als eine Lüge aus seinem Mund. Vielleicht hätte er seine Beziehung zu Aveline zugeben sollen - dann hätte er es hinter sich gehabt -, aber die Vaterschaft anzuerkennen, war ausgeschlossen. Das Mädchen war ein Luder, sonst hätte sie sich ihm gegenüber nicht so verhalten. Ihr gefiel, was er mit ihr anstellte, und es gab bestimmt genug andere im Haus, die sich bereits mit ihr vergnügt hatten.
Die Worte des Pfarrers unterbrachen Piers unruhiges Grübeln. »Aveline und Piers, bitte tretet vor den Altar.«
Das Mädchen erhob sich anmutig und stieg mit zierlichen Schritten die drei Stufen zum Altar hinauf, wo Vater Bartolph sie mit der Hostie in der Hand erwartete.
Piers, der die Blicke seines Vaters im Rücken spürte, blieb nichts anderes übrig, als ebenfalls vor den Altar zu treten und sich neben Aveline zu stellen. Trotz seiner rasenden Wut entging ihm die zarte, weiße Schwellung ihres Brustansatzes nicht. Die Erinnerung an ihre letzte Begegnung, als sie mit weit gespreizten Beinen nackt vor ihm gelegen hatte, lenkte ihn einen Moment lang von der Ansprache des Pfarrers ab.
»Ich fordere euch auf, auf Gott und den Leib seines kostbaren Sohnes zu schwören. Lügt ihr, wird eure unsterbliche Seele zu Schaden kommen, und ihr werdet am Tag des Jüngsten Gerichts unweigerlich den Weg der Verdammnis nehmen und im ewigen Höllenfeuer schmoren.«
Unwillkürlich blickten Aveline und Piers zu dem Fresko auf und senkten beide eilig wieder die Augen angesichts dieser gar zu anschaulichen Darstellung.
»Aveline, du stehst hier vor Gott und der heiligen Mutter. Und du, Piers, stehst vor deinen irdischen Eltern, den Vertretern Gottes auf Erden.«
Das Mädchen zitterte und spürte erneut eine Welle der Übelkeit aufsteigen, obwohl sie seit dem Morgenmahl nach der Messe nichts mehr zu sich genommen hatte. Sie konnte das verbrannte Fleisch der im Höllenfeuer schmorenden Sünder förmlich riechen, ihre Schreie hören. Allein ihr eiserner Wille hielt sie auf den Beinen. Sie presste die Lippen zusammen, obwohl sie vor Verzweiflung am liebsten in Tränen ausgebrochen wäre. Sie wusste, dass sie diese Schlacht gegen Piers gewinnen musste, sonst würde sie bereits hier auf Erden zu den Verdammten gehören.
Vater Bartolph hielt Aveline den Schrein mit der Hostie entgegen und bedeutete ihr, ihre rechte Hand darauf zu legen. »Aveline, du hast den Sohn deines Herrn der Vergewaltigung bezichtigt und behauptest, sein Kind unterm Herzen zu tragen. Im Namen Gottes und der heiligen Jungfrau und in Sorge um die Unsterblichkeit deiner Seele frage ich dich nun - bleibst du bei deiner Beschuldigung?«
Aveline starrte in die ernsten, braunen Augen des Pfarrers und sagte ohne Zaudern: »Ich schwöre bei der heiligen Mutter Gottes,
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