Der Eid der Heilerin
Strafe verschont blieb. Es hieß, Warwick habe vor Wut getobt und sich vorübergehend auf seine Besitztümer im Norden zurückgezogen - mit freundlicher Erlaubnis des Königs, der dem widerstrebend geäußerten Wunsch großzügig entsprochen hätte.
Es nahte der Zeitpunkt, an dem es galt, sich für die eine oder die andere Seite zu entscheiden. Doch heute war das wichtigste Ereignis in der Stadt die Hochzeit von Mathew Cuttifers Sohn. Es mangelte nicht an Freunden, Rivalen und Höflingen, die dem Ereignis mit Vergnügen beiwohnten. Alle waren neugierig, die Braut aus niederer Herkunft kennen zu lernen, und hinter vorgehaltener Hand wurde über die ungewöhnliche Wahl gelästert, die Master Mathew seinem Sohn gestattet hatte. Sich in Blessing House zu zeigen und dem Paar viel Glück zu wünschen lenkte von der Angst ab, die sich draußen in der Stadt zusammenbraute. Ein Fest dieser Art war außerdem die beste Gelegenheit, den neuesten Klatsch auszutauschen.
Zu Beginn der Feier, die den ganzen Tag andauern sollte, begrüßte das junge Paar die Gäste am Eingang der großen Halle. Es gab die üblichen derben Scherze, reichlich zu essen und krügeweise guten, starken Süßwein - wie es sich für ein Hochzeitsfest gehörte. Margaret hatte ihrem Mann geraten, die Hochzeit so zu gestalten, als ehelichte Piers eine der reichsten Erbinnen des Königreiches - das würde aller Welt zeigen, dass sie Aveline als neues Familienmitglied wertschätzten. Und dies schien auch Gottes Wille zu sein, denn der Wintertag hatte strahlend, wenn auch kalt, begonnen.
Obwohl sich viele Höflinge in Blessing House drängten, war Mathew, Margaret und Piers nicht entgangen, dass viele der geladenen Ehrengäste nicht erschienen waren. Hofschranzen gab es mehr als genug, doch zahlreiche hohe Adlige, die zu Edwards engerem Kreis zählten, fehlten. In einer Zeit wie dieser scharten sie sich entweder um den König oder warteten auf ihren eigenen Ländereien die Entwicklung ab und grübelten, wann wohl der geeignetste Zeitpunkt war, sich für eine Seite zu entscheiden.
Auch der König hatte die Einladung freundlich, jedoch sehr kurzfristig abgesagt, hatte dem Brautpaar aber hübsche Geschenke geschickt. Für die Braut vier Ellen himmelblauen, mit Goldfäden durchwirkten Damast, für den Bräutigam einen herrlichen, spanischen Ledersattel und Zaumzeug mit silbernen und bronzenen Beschlägen. Und für das Ehelager ein Paar zart gewebter Leintücher aus der Levante.
Wahrlich königlich, dachte Mathew, auch wenn er sich über die Anwesenheit des Schenkenden mehr gefreut hätte. Wegen der unsicheren Situation, die die Feindseligkeiten zwischen Warwick und Edward mit sich brachten, hielten sich die Höflinge beim Kauf teurer Waren zurück, was sich höchst ungünstig auf die Bilanz seines aufwändigen Handels mit den Seehäfen des Mittelmeers auswirkte. Wenn er sich beim König persönlich für die großzügigen Geschenke bedankte, erfuhr er vielleicht, aus welcher Richtung der Wind wehte. Er betrachtete seine neue Schwiegertochter. Sie war ein hübsches Mädchen und sollte ihn vielleicht zum König begleiten, ebenso wie Piers, falls er sich dazu herablassen konnte, die als Knabe von ungezählten Lehrern erworbenen Umgangsformen zu praktizieren. Dem König persönlich zu danken besaß mehr Gewicht und wirkte sich womöglich vorteilhaft für ihn aus.
Anne bemerkte, dass Aveline sich in all dem Trubel und der Hitze, den lautstark geäußerten Glückwünschen und herzhaften Küssen sehr allein fühlte. Ihr Vater, der sein Kommen zugesagt hatte, um seine Tochter dem Bräutigam zuzuführen, war doch nicht erschienen. Vom Klatsch unter den Dienstboten wusste Anne, dass er zu arm war, um sich passende Kleidung für einen derartigen Anlass zu kaufen, und seine ehelichen Kinder waren zu stolz, einer Halbschwester die Ehre zu erweisen, der es seltsamerweise gelungen war, eine bessere Partie zu machen als sie alle.
Anne litt mit Aveline. Keiner der Anwesenden meinte seine Glückwünsche aufrichtig. Anne sah, dass Aveline sich die Hände auf den Bauch gelegt hatte, als wollte sie ihr ungeborenes Kind vor der Unfreundlichkeit und Kälte schützen, von der sie umgeben war. Trotzdem hielt Aveline standhaft an ihrem ruhigen, freudigen Gesichtsausdruck fest, was Anne anrührend und mutig fand. Auch ihr entgingen weder die zahlreichen schrägen Blicke auf Avelines Taille noch die hämischen Bemerkungen über das blühende Aussehen der Braut. Am liebsten hätte sie sich
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