Der Eid der Heilerin
wartete. Das ganze Königreich betete darum, das Kind möge ein Knabe werden und so die Thronfolge und die Stabilität des Landes sichern. Mathew sandte ein Stoßgebet zum Himmel, dass ihre Gebete erhört würden.
Vielleicht war es für das Land sogar besser, wenn der König sich statt mit Warwick mit anderen Frauen beschäftigte. Mathew empfand eine Spur von Mitgefühl für seinen Herrscher. Für den Ehemann einer frommen Frau bedeutete eine Schwangerschaft eine sexuelle Durststrecke. Die Kirche sagte, geschlechtliche Beziehungen dienten allein der Empfängnis, und wenn diese vollbracht war, sollte ein gläubiger Ehemann sein Haupt zum Gebet neigen, um so seiner Lust Herr zu werden. Mathew hatte während der ganzen Schwangerschaft seiner Frau mit Piers Enthaltsamkeit geübt - und wofür? Ja, er hatte Verständnis dafür, dass Edward bei anderen Frauen Trost suchte, wenn er nicht mehr zu seiner eigenen durfte, dennoch konnte er es nicht billigen. Mathew stieß einen tiefen Seufzer aus. Keine Selbstdisziplin hatten diese jungen Leute, keinerlei Selbstdisziplin.
Währenddessen schilderte John Lambert seine Befürchtungen über die möglichen Veränderungen, die durch die Geburt des königlichen Kindes ausgelöst werden könnten, wobei seine Hauptsorge der Verwandtschaft der Königin galt.
»Sie alle, Mathew - die ganze Familie Wydeville. Jeden Tag werden es mehr bei Hof: Schwestern, Brüder, Onkel. Ein habgieriges Pack! Ihr habt ja keine Vorstellung. Die Mutter ist am schlimmsten. Sie nützt das Wohlwollen der Königin für jede erdenkliche Vergünstigung aus, die sie bekommen kann. Ich sage Euch, das macht mir Angst. Wusstet Ihr, dass die Herzogin Jacquetta ihre Tochter, die Königin, sogar ersucht hat, die Habe des alten Joshua von Jericho nach dessen Tod beschlagnahmen zu dürfen? Gewiss, er war ein Jude, aber gab ihr dies das Recht, seine Familie auszurauben, noch bevor seine Gebeine erstarrt waren? Ich habe gehört, sie sei mit einer Schar bewaffneter Männer vor seinem Haus aufgetaucht und habe die Tür aufbrechen lassen. Teppiche, Gold, Geschirr und Möbel - alles haben sie mitgenommen. Sie wedelte mit einer Vollmacht der Königin und behauptete, die Familie würde später entschädigt werden! Ich sage Euch, Mathew, ich sehe mich nicht in der Lage, die Ordnung in der Stadt aufrechtzuerhalten, wenn das so weitergeht. Und der König unternimmt nichts dagegen!«
Mathew runzelte die Stirn. Sollte das Königskind ein Knabe werden, würde Elizabeths Macht noch gestärkt werden. Ein männlicher Thronfolger für das Königreich würde ihrer Familie eine unangreifbare Position verschaffen, und dies würde Warwick niemals hinnehmen.
Er wurde aus seinen Grübeleien gerissen, als Anne vor ihnen auftauchte und knickste. »Ja, mein Kind?«
»Master, Lady Margaret und Mistress Aveline bitten Euch und Euren Gast, sich ihnen anzuschließen.«
Anne gab wie gewöhnlich ein reizendes Bild ab. An diesem Tag hatte sie ihr Haar unter einer tief sitzenden, strengen Haube mit einem zarten Schleier verborgen. Sie war mittlerweile die Leibdienerin von Lady Margaret, wodurch ihre Stellung im Haus gestiegen war. Nach der Geburt des kleinen Edward hatte Mathew sie neu einkleiden lassen, als Dank für ihre Rolle, die sie bei der Rettung von Mutter und Kind gespielt hatte.
Mathew bedeutete dem Mädchen, vor ihnen zu gehen, und erfreute sich an ihrem anmutigen Gang. Lady Margaret hatte ihr hübsche, neue Samtschuhe geschenkt, und sie hatte sorgsam ihre Röcke gerafft, um den Saum des neuen Kleides zu schonen.
Im Haus herrschte eine angenehme Kühle nach der stickigen Hitze draußen. Die beiden Männer betraten die große Eingangshalle, wo sie bereits erwartet wurden.
Anne eilte vor, um ihren Platz neben ihrer Herrin einzunehmen. Nach außen machten die drei Generationen der Familie Cuttifer, die sich in der Halle von Blessing House versammelt hatten, einen recht harmonischen Eindruck. Trotzdem konnte Anne das Gefühl der Furcht nicht unterdrücken, das sie in der Gegenwart ihrer Herrschaft ständig begleitete.
Seit der Geburt des Kindes hatte Anne versucht, Aveline unaufdringlich zur Seite zu stehen, aber Piers' Frau nahm immer weniger Anteil an den Geschehnissen des Alltags und war passiv, ausdruckslos und schweigsam wie eine Stoffpuppe. Wenigstens schlug Piers sie nicht mehr - es hieß, am Tag nach der Geburt hätte es eine höchst unangenehme Aussprache zwischen Vater und Sohn gegeben, in deren Verlauf Mathew gedroht habe, Piers
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