Der Eid der Heilerin
irischen Schmied mit den unbändigen Haaren, rufen lassen.
Dermot hatte Piers nie gemocht und hatte es ihm einmal sogar gesagt. Nur seiner Größe und Stärke hatte er es zu verdanken, dass er damals keine Prügel bezogen hatte, ebenso wie seinem geheimnisvollen Ruf, denn Schmieden wurden von vielen Menschen immer noch Zauberkräfte nachgesagt. Trotz seines unverständlichen Akzents und seiner eigentümlichen Kleidung war er im Haus hoch geachtet, denn er sagte merkwürdige Dinge - die sich nur allzu häufig bewahrheiteten. Und in seinem kleinen Schuppen hinter der Schmiede standen schwarze, primitiv aussehende Schnitzfiguren mit winzigen Augen und länglichen Köpfen. Es hieß, Dermot übergieße diese »Freunde« bei Vollmond mit Wein, vermischt mit Hahnenblut - etwas, wovon Vater Bartolph sehr wohl Kenntnis hatte. Er hatte den Schmied jedoch nie deswegen zur Rede gestellt. Die tiefschwarzen Augen des Mannes hielten ihn davon ab.
Margaret mochte Dermot wegen seiner Ehrlichkeit, und ihrem Schutz hatte er es zu verdanken, dass er immer noch in Blessing House war. Nun erklärte sie ihm ausführlich, was er zu tun hatte. Zuerst musste der Sargdeckel fest zugenagelt, dann die Nagellöcher mit Blei zugegossen werden. Anschließend sollten Bleiplatten um den Sarg gelegt und die Ränder verschweißt werden, damit der Ulmensarg eine äußere Hülle erhielt. Dies war deshalb so wichtig, da der Leichnam unter dem Boden der Kapelle begraben werden sollte und Margaret vermeiden wollte, dass schädliche Ausdünstungen durch die Steinplatten drangen.
Als Margaret die Kapelle verließ, trat Mathew gebadet und rasiert und in frischen Kleidern an das kleine Fenster über seinem Betstuhl im Arbeitszimmer. Er hatte dieses Fenster in die dicken Mauern schlagen lassen, um jederzeit zur Kapelle hinuntersehen und mit dem Gekreuzigten über dem Altar Zwiesprache halten zu können. Nun sah er unter sich den verschlossenen Sargdeckel. Dermot und sein Gehilfe füllten gerade die letzten Nagellöcher mit Blei aus. Mathew war zu spät gekommen - zu spät, um ein letztes Mal in das Gesicht seines Sohnes zu blicken.
Zu spät. Was Piers betraf, war er stets zu spät gekommen.
Anne hatte einen höchst sorgenreichen Vormittag hinter sich. Nach den schrecklichen Ereignissen des zwanzigsten Juni hatte Margaret angeordnet, dass Anne Aveline als ständige Gesellschafterin und Bewacherin zur Seite stehen sollte. Margaret hatte ihren Mann davon abbringen können, seine Schwiegertochter in ein Kellerverlies unter der Küche zu sperren. Stattdessen war das kleine Turmzimmer, in dem Aveline die vergangenen drei Tage verbracht hatte, von außen verriegelt worden.
Nun zog ein Unwetter auf, und Anne war gebeten worden, vor dem Sturm noch eine Stunde mit Aveline in den Garten zu gehen. Lady Margaret hatte Mitleid mit Aveline - ein bisschen frische Luft würde ihr gewiss gut tun, denn wer wusste, ob sie dazu noch einmal Gelegenheit bekam.
Aveline war in einer grauenhaften Verfassung. Seit der
Mordnacht hatte sie jeden Bissen verweigert, und ihre Kleider schlotterten an ihrem Körper. Die Schnittwunde in ihrem Gesicht war trotz Annes Behandlung geschwollen und entzündet, und offensichtlich hatte sie hohes Fieber. Trotzdem durfte Anne ihr Gesicht weder berühren noch die Wunde versorgen. Zumindest war Aveline gewaschen - dafür hatte Anne gesorgt -, aber ihr Geist hatte sich verwirrt. Sie hatte wieder zu sprechen begonnen, aber nicht zu den Lebenden. Stattdessen sprach sie mit Gott und dem Teufel - und mit Piers.
Anne wusste, dass Avelines Tage gezählt waren. Diejenigen, die die Hintergründe von Piers' Tod nicht kannten, lechzten nach Blut. Ein Mann, der seine Frau ermordete, konnte vor Gericht freigesprochen werden, da die Frau sein persönlicher Besitz war. Eine Gattenmörderin jedoch konnte des Verrats schuldig gesprochen werden, ein Verbrechen, auf das der Tod stand. Während der vergangenen Tage hatten sich Scharen von Männern vor Blessing House zusammengerottet, die forderten, Aveline als abschreckendes Beispiel für alle Frauen auf dem Newgate Hill zu verbrennen.
Doch die Mühlen der Gerichtsbarkeit mahlten langsam. John Lambert, der im Auftrag des Königs über den Frieden in der Stadt zu wachen hatte, weigerte sich, sich vom Pöbel drängen zu lassen. Gemeinsam mit anderen Ratsherren der Stadt war er bei Mathew gewesen und hatte auch Aveline verhört. Er hatte mit aller Freundlichkeit versucht, etwas über die Nacht, in der Piers gestorben
Weitere Kostenlose Bücher