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Der Eid der Heilerin

Der Eid der Heilerin

Titel: Der Eid der Heilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Posie Graeme-evans
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hilflosen Gesichtsausdruck des Pfarrers. Sie legte einen Finger an die Lippen und gab Bartolph ein Zeichen, sie allein zu lassen. Der Pfarrer gehorchte. Lady Margaret trat zu ihrem Mann und kniete neben dem Sarg nieder.
    »Bist du auch gekommen, um mir Gottes Willen zu erläutern, Frau?« Mathews Stimme klang düster, doch Margaret war trotz allen Mitgefühls eine praktisch veranlagte Frau. Sie musste das Wohl des Haushalts im Auge behalten, und die
    Anwesenheit dieses Leichnams war wegen der drückenden Hitze ihre Hauptsorge.
    »Nein«, erwiderte sie energisch, »aber ich bin gekommen, um dich an deine Pflicht zu erinnern. Du hast lange genug neben deinem Sohn gebetet - jetzt muss er begraben werden. Er stinkt, Mathew.«
    Hätte sie ihm kaltes Wasser ins Gesicht geschüttet, wäre er nicht weniger schockiert gewesen. Doch bevor er etwas sagen konnte, nahm sie seine Hand. »Mein Lieber, wie sehr wünschte ich, ich könnte dir das ersparen, aber uns bleibt keine Zeit mehr. Entscheidungen müssen getroffen werden, und du bist der Herr dieses Hauses.«
    Unvermittelt begann Mathew zu weinen, als würde sein Körper von einem unsichtbaren Tier hin und her geschüttelt. Margaret schlang die Arme um ihn und hielt ihn so fest sie konnte, drückte ihn an ihre Brust und küsste sein Gesicht, seine Tränen.
    Schließlich befreite er sich aus ihren Armen und wischte sich mit dem Ärmelaufschlag über das Gesicht. Er roch sehr streng, denn seit dem Dankesgottesdienst hatte er seine Kleidung - die schwere Samthouppelande und die dicke Hose - nicht mehr gewechselt.
    Als fürsorgliche Frau wusste Margaret, was zu tun war. Sanft half sie ihrem Mann auf und ging schweigend mit ihm zur Kapellentür und in die große Eingangshalle, wo sie auf Jassy stießen.
    »Jassy, bitte sorg dafür, dass Master Mathew gebadet wird und frische Kleidung bekommt. Anschließend soll ihm im Arbeitszimmer ein üppiges Frühstück serviert werden. Und bitte lass nach Wynken und Alain aus dem Stall schicken - und auch nach Dermot aus der Schmiede. Ich werde in der Kapelle sein.«
    Nachdem Margaret ihren Mann Jassy anvertraut hatte, kehrte sie zur Kapelle zurück. Sie fand den Pfarrer in der Sakristei. »Vater, wir werden jetzt eine geeignete Grabstätte in der Kapelle aussuchen. Anschließend werde ich unseren Vorschlag meinem Mann unterbreiten. Das Grab soll noch vor dem Mittagessen ausgehoben werden. In der Zwischenzeit muss der Sarg verschlossen werden. Wir werden die Kapelle so gut wie möglich ausräuchern, so dass Ihr heute Abend den Trauergottesdienst abhalten könnt. Seid Ihr damit einverstanden?«
    Der Pfarrer verbeugte sich sprachlos und folgte ihr in den Hauptraum der Kapelle. Nicht zum ersten Mal kam ihm in den Sinn, dass sich dieses Haus ohne ihr weises Regiment in einem trostlosen Zustand befände - sie war, wie es in der Bibel stand, ein Weib, wertvoller als Rubine, und sie besaß den Verstand eines Mannes. Eine seltene Kombination, die nicht hoch genug geschätzt werden konnte.
    Margaret sah sich um. Im Grunde dokumentierte dieser Ort den Erfolg ihres Mannes, aber nun würde er noch eine andere Aufgabe erfüllen. Er würde zur Ruhestätte eines großen Teils seiner Hoffnungen werden. Dafür bedurfte es eines großen Grabes.
    Margaret seufzte bekümmert. Der Pfarrer machte hüstelnd auf sich aufmerksam. »Ja, Vater?«
    »Lady Margaret, meint Ihr, der Master möchte seinen Sohn vor dem Altar begraben lassen?«
    Margaret bedachte seinen Vorschlag und überlegte, wohin die Strahlen der Morgensonne fielen. Es war wichtig, Piers mit dem Kopf in Richtung Morgen zu legen, nach Osten, damit er am Tag des Jüngsten Gerichts bereit lag. Das bedeutete jedoch, ihn nicht beim Altar zu bestatten, da dieser nach Norden gerichtet war.
    »Ein edler Gedanke, Vater, und auch ein tröstlicher. Wir sollten Piers dort begraben - seht Ihr, wo die Sonne auf die Steinplatten fallt?« Rechts vom Altar, direkt unter dem Fresko der Cuttifers, war ein heller Lichtfleck zu sehen. Mathew wäre es ein großer Trost, wenn die Sonne auf das Grab seines Sohnes schien.
    An der Tür zur Kapelle war ein leises Klopfen zu hören. Margaret wandte sich um und sah zwei kräftige, junge Männer und einen großen Rothaarigen. Wynken und Alain arbeiteten unter Perkin Wye in den Stallungen und waren genau die Richtigen für die schwere Grabarbeit. Doch zuerst musste der Sarg verschlossen werden, um dem Verwesungsgeruch Einhalt zu gebieten. Für diese Aufgabe hatte sie Dermot, den

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