Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin
waren. Nikolaus und die Mönche wirkten genauso überrascht wie die Stadtväter und die Templer.
»Natürlich könnten wir es den Leuten verbieten!«, sagte Don Scacchi bei der anschließenden heftigen Debatte im Rathaus. »Aber so recht fällt mir kein Grund dafür ein. Es ist nicht verboten, für Gotteslohn Passagiere zu befördern, egal wohin und mit welcher Begründung. Wir werden die Kapitäne natürlich streng befragen und ihnen Einreise- und Handelsverbote in Pisa auferlegen, falls sie sich eines Betruges an den Kindern schuldig machen wie die Kerle in Marseille. Aber sonst …«
»… aber sonst seid Ihr froh, dass sie Euch die Kreuzzügler fortschaffen«, bemerkte der Komtur des örtlichen Tempels.
Der Konsul lächelte. »Ich hätte es nicht ganz so scharf ausgedrückt, Monseigneur, aber ja, ich wäre erleichtert, wenn sich diese Angelegenheit zur allseitigen Zufriedenheit lösen ließe.«
»Dann warten wir mal ab, was da auf uns zukommt«, gab der Templer zurück. »Ich hoffe, Ihr stellt wenigstens Stadtwächter, um Aufruhr zu verhindern, wenn jetzt alle auf einmal auf die zwei Schiffe strömen …«
Erstaunlicherweise blieb genau dieser Andrang aus. Armand verstand es selbst nicht, aber statt des erwarteten Jubels senkte sich eher Zögern und Verunsicherung über die verbliebenen Kreuzfahrer. So lange waren sie Nikolaus gefolgt. Und nun sollte plötzlich Hannes, ein Bauernbursche, den Gott nie berührt hatte, die Lösung herbeiführen?
Bruder Bernhard sorgte schließlich für großes Erstaunen, indem er am nächsten Morgen verkündete, Nikolaus werde nicht mit auf die gastlichen Schiffe gehen.
»Nikolaus sagt, der Herr habe ihn nicht gerufen«, erklärte der Mönch. »Und er warnt alle vor falschen Propheten.«
»Ein Machtkampf«, konstatierte Gisela.
Die Freunde verfolgten die Rede des Mönches vornehmvom Balkon eines Palastes, gegenüber der Chiesa Santa Caterina. »Hannes hat die Überfahrt ganz offensichtlich ohne Rücksprache mit Nikolaus geplant. Und das lässt er ihn jetzt spüren.«
Konstanze runzelte die Stirn. »Meinst du?«, fragte sie, das Buch in ihrer Hand in den Falten ihres Rockes verbergend. Armand trat eben zu den Mädchen heraus, und sie wollte nicht, dass er den Koran in ihren Händen sah. »Also, ich sehe keinen Streit zwischen Hannes und Nikolaus. Das würde viel dramatischer verlaufen. Du weißt doch, wie wütend der Knabe werden kann, wenn ihn etwas aufbringt. Er würde selbst vor sein Heer treten und aufbegehren. Stattdessen dieser nichtssagende Auftritt von dem grässlichen Mönch!« Seit Magdalenas Beichte fand Konstanze den Franziskanerbruder noch abstoßender.
Armand achtete jedoch gar nicht auf ihr Buch. Er nickte nachdenklich. »Der Konflikt liegt zwischen Hannes und den Klerikern. Komtur de Selva hatte recht. Das Ziel dieses Kreuzzuges war nie Palästina. Wenn Hannes die Kinder jetzt übersetzen lässt, macht er es wie Ferreus und Posqueres. Aber das wird nicht geschehen. Sicher folgen ihm ein paar, die meisten werden jedoch bei dem Zug bleiben, den Nikolaus unter sich hat.«
Kapitel 5
Armands Annahme sollte sich bewahrheiten. Die Kreuzfahrer bekannten sich nur zögernd zu Hannes, und letztlich ging nur ein Teil derjenigen auf die Schiffe, die mit ihm über den Brenner gezogen waren. Dazu einige wenige Abenteurer.
Karl und die anderen Truppenführer von Armands Heer wandten sich Rat suchend an den jungen Ritter, aber Armand riet ihnen zu bleiben.
»Was soll ein Heer von fünfhundert Kindern ohne Führung in Akkon?«, fragte er. »Ihr wäret dort genauso der Gnade der Bevölkerung ausgesetzt wie hier, und da gibt es keine rivalisierenden Stadtrepubliken. Die Konsuln von Genua mögen einen Hannes empfangen, aber doch nicht der König von Outremer! Jean de Brienne hat wahrscheinlich nie etwas von diesem Kreuzzug gehört – zumindest nimmt er ihn ganz sicher nicht ernst. Mal ganz abgesehen davon, dass niemand weiß, wie weit man den Kapitänen der Schiffe wirklich trauen kann. Womöglich endet ihr wie die Gefolgsleute von Stephan!«
Karl sah das ein, wirkte nun aber gänzlich bedrückt.
»Es wird uns nichts anderes übrig bleiben, als nach Rom zu ziehen«, sagte er traurig.
Wolfram war hin- und hergerissen. Er glaubte nicht mehr an Nikolaus, aber er gab seinen Traum vom Kreuzritter auch nur ungern auf. Andererseits war er nicht der Mutigste. Mit Nikolaus’ Heer hatte er sich halbwegs sicher gefühlt. Aber jetzt? Auf gut Glück ins Heilige Land, ohne
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