Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin
durchaus etwas anzüglichen Tändelei. Und hübschen, umschwärmten Mädchen wie Gisela gefiel es auch manchmal, die Jünglinge zu necken und verlegen zu machen, die ihre Ritterwürde noch nicht erlangt hatten. Vom Alter her standen sie ihr schließlich näher als die meisten Minneherren der Jutta von Meißen, die ihre Schwertleite längst gefeiert und in der Regel bereits erste Kämpfe bestanden hatten.
Junge Ritter waren meist um die zwanzig Jahre alt, bevor sie es wagten, der Dame ihre Aufwartung zu machen. Gisela dagegen war eben erst vierzehn geworden – gerade alt genug, um auch offenherzigeren Gesängen der Troubadoure zu lauschen oder mal einen Turniersieger mit einem Kuss zu ehren. Letzteres war durchaus begehrt: Wie von ihrer Ziehmutter vorausgesagt, hatte sich Gisela zu einer Schönheit entwickelt. Das Mädchen war schlank und zierlich, aber seine nach neuester Mode eng geschnittenen Kleider ließen doch schon erste Rundungen erahnen. Das feine, blond gelockte Haar, das fast golden schimmerte, umspielte ein edles Gesicht – eigentlich hellhäutig, aber meist leicht gebräunt vom Reiten in der Sonne. Gisela hatte volle, schön geschwungene Lippen, beherrscht wurde ihr Antlitz jedoch von ihren lebhaften hellgrünen Augen.
Giselas Blick schien Funken zu sprühen, wenn sie Freude oder Ärger empfand, aber ihre Augen konnten auch warm und tröstend leuchten, wenn sie mit Kindern und Tieren umging. Beides tat sie überaus gern. Das Mädchen kümmerte sich nicht aus Pflichtgefühl um Otto und seine zwei Schwestern, sondern einfach, weil es ihm Freude machte. Eines Tages würde es selbst einem Haushalt vorstehen und seinemGatten hoffentlich viele Söhne und Töchter schenken. Das war immer Giselas Wunsch gewesen, sie hatte sich stets das muntere Gewusel in der Kinderstube vorgestellt, wenn sie an eine künftige Ehe dachte.
In der letzten Zeit bezogen diese Träume auch den Gedanken an einen liebenden Gatten ein, mit dem Gisela Umarmungen und Küsse tauschte. Verstohlen musterte sie die jungen Ritter, die Jutta von Meißens Minnehof beehrten, und verglich ihre Eindrücke und Vorlieben mit denen der anderen Mädchen am Hofe. Ihr Liebling war ein dunkelhaariger Hüne namens Guido de Valverde, ein Ritter aus dem fernen Italien. Gisela hatte ihre Studien der italienischen Sprache seitdem intensiviert, aber Sprachen zu lernen bereitete ihr ohnehin wenig Schwierigkeiten. Frau Jutta pflegte sie damit zu necken, dass sie einfach zu gern plauderte. Mangels Sprachkenntnis zum Schweigen verurteilt zu sein, käme für Gisela einer Folter gleich.
Und tatsächlich waren es Gespräche, die Giselas Lerneifer beflügelten. Seit sie ihre Kemenate mit einer Grafentochter aus der Champagne teilte, war auch ihr Französisch erheblich besser geworden.
Jetzt fragte sie sich, warum Frau Jutta sie zu sich zitierte, und hoffte im Stillen, gemeinsam mit Guido de Valverde zu einem Tanz oder einem Spiel gebeten zu werden.
»Sag der Herrin, dass ich gleich komme!«, beschied sie den Pagen, der die Nachricht zu den Ställen gebracht hatte.
Vorher musste sie noch die Kinder in ihre Kemenaten bringen und ihrer Kinderfrau übergeben. Außerdem konnte sie natürlich nicht im schmutzigen Reitkleid vor der Markgräfin erscheinen. Also eilte sie in die Räume, die sie mit ihrer Freundin Amelie teilte, und streifte rasch ein lindgrünes Obergewand über ihr feines Leinenhemd. Zum Glück fand sich eine Zofe, die ihr schnell das Haar entwirrte – nicht einfach bei Giselas üppigen Locken. Sie brauchte stets ein Band oder einen Reif, um sie zu bändigen, und noch immer warder Emaillereif des Kaufmanns Dompfaff eins ihrer Lieblingsstücke.
Gisela schob den Reif auch heute wieder ins Haar und warf dann einen flüchtigen Blick in einen Silberspiegel, der dem Mädchen zumindest einen ungefähren Eindruck ihres Aussehens vermittelte. Gisela lächelte ihrem Gesicht zu. Ihr gefiel, was sie sah, und sie hoffte, sich an diesem Tag auch noch in den seelenvollen dunklen Augen des Guido de Valverde spiegeln zu können!
»Wirst du deinen Liebsten sehen?«, neckte Amelie, als das Mädchen in seinem Staat aus der Kemenate eilte. Die kleine Französin kam eben aus dem Garten, wo sie sich mit anderen im Lautenspiel geübt hatte. »Verlobt dich Frau Jutta heute gar mit deinem Ritter?«
Gisela kicherte. »Das glaub ich nicht, es sei denn, der Herr Guido hätte sich überraschend ein Lehen erworben.«
Wie viele andere von Frau Juttas Minneherren gehörte Guido
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