Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin
jedoch vor allem darüber, ihr Lieblingspferd mitnehmen zu dürfen. Frau Jutta schenkte ihr die kleine Zelterin Smeralda, die aus hispanischen Landen stammte und sowohl heißblütig als auch trittsicher war.
Eigentlich war das Tier für die Tochter der Markgräfin, Hedwig, bestimmt gewesen, aber diese erwies sich immer mehr als eher zögerliche Reiterin. Gisela dagegen war den Knechten bei der Ausbildung der Stute so oft zur Hand gegangen, dass ihr das Pferd ans Herz gewachsen war. Als Frau Jutta ihr nun erlaubte, es mit heimzunehmen, fiel sie ihr spontan um den Hals.
»Ich werde mich nie, nie, nie von ihr trennen!«, erklärte das Mädchen glücklich. »Oh, es wird eine wundervolle Reise werden. Ich werde Smeralda auch reiten, wenn ich mit meinem Gatten über Land reise. Sicher kommt er viel herum, er wird ja fürs Eintreiben des Zinses und die Aufsicht über die Fronarbeiter verantwortlich sein.«
Diese Aufgaben oblagen den Erben der Burgen fast immer. Sie lernten dabei ihren Besitz kennen und konnten einschätzen, wie weit ihre Bauern zusätzlich durch Abgaben belastbar waren, wenn es zu einer Fehde kam oder andere, größere Ausgaben anstanden. Die meisten Burgherren bemühten sich hier um Gerechtigkeit – schon, weil ihnen sonst die Arbeiter wegliefen und sich in den stetig wachsenden Städten ansiedelten. Stadtluft, so hieß es, macht frei. Wer ein Jahr lang unbehelligt in Köln oder Mainz gelebt hatte, auf dessen Arbeitskraft hatte der Burgherr kein Anrecht mehr. Es gab allerdings Ritter, die diese Zusammenhänge nicht erkannten. Noch immer wurden Bauern und Tagelöhner gnadenlos ausgenutzt.
»Aber nicht jedem Ritter gefällt es, seine Frau dabei mitzunehmen«, gab Jutta von Meißen zu bedenken, wobei sie ihreÜberlegungen für sich behielt. Schließlich hatten auch Bauern schöne Töchter und konnten sie dem künftigen Burgherrn nicht verwehren. »Dein Gatte müsste dich schon sehr lieben …«
Gisela lachte. »Ach, das wird er sicher!«, meinte sie vergnügt. »Wenn er mich von so weit her kommen lässt und gar nicht abwarten kann, bis ich sechzehn oder siebzehn bin … Und wir wollen doch auch bald Kinder! Da geht es nicht, dass er meiner Lagerstatt wochenlang fernbleibt!«
Giselas Optimismus war nicht einzudämmen. Sie tanzte durch ihre letzten Tage in Meißen und sang dabei unentwegt Odwins Namen vor sich hin.
Kapitel 3
Armand de Landes ließ das Buch sinken, in dem er gerade gelesen hatte. Die Worte der Prophetissa Teutonica aus Bingen im fernen Rheinland vermochten ihn nicht zu fesseln. Zumal ihre Visionen in ziemlich holpriges Latein übersetzt waren. Auf jeden Fall konnten ihre Schilderungen der himmlischen Herrlichkeit es nicht mit der Schönheit eines Sonnenuntergangs über dem Mittelmeer aufnehmen. Und ebenso wenig mit dem Anblick der Wüste im letzten Tageslicht, das den Sand und die Stadtmauern Akkons rotgolden schimmern ließ, während die Sonne noch silbrige Pfeile über das Meer zu senden schien.
Die Zinnen des Tempels in Akkon boten Armand einen umfassenden Rundblick – das Hauptquartier der Armen Ritterschaft Christi vom Salomonischen Tempel überragte die meisten anderen Gebäude in der letzten größeren Enklave der Franken im Heiligen Land. Armand riss sich nur mühsam von der Aussicht los und versuchte, seiner Lektüre wenigstens neue Einsichten bezüglich Musik und Medizin zu entnehmen. Aber auch Hildegard von Bingens Auflistung von Heilkräutern und Diagnoseverfahren erschien ihm ziemlich primitiv.
»Du brauchst das nicht zu lesen. Die Frau war eine hoffärtige Ignorantin. Ihr Genie bestand darin, sich selbst im besten Licht zu zeigen. Sie konnte nicht mal Latein!«
Mutter Ubaldina legte ihre ganze Verachtung für ihre verstorbene Mitschwester in ihre rasch dahingeworfenen Worte. Sie selbst sprach und las fließend Latein, dazu Griechisch, Arabisch und Aramäisch. Man munkelte, dass sie großen Anteilan der Übersetzung der geheimen Schriften hatte, deren Fund die Templer angeblich ihre Macht und ihre überlegenen Kenntnisse auf dem Gebiet der Architektur, des Finanzwesens und der Diplomatie verdankten.
Mutter Ubaldinas eigentliche Leidenschaft galt jedoch der Medizin. Sie betreute das Hospital im Tempel und hatte den Bibliotheken der Ritter so manches gewichtige Werk hinzugefügt. Selbstverständlich selten unter Angabe ihres Namens. Den Tempelrittern war kein Frauenorden angeschlossen. Ubaldina und wenige andere Benediktinerinnen und Zisterzienserinnen waren in ihrem
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