Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin
Ritter, die sich sonst auszeichneten, den Burgherrn niemals verlieren ließen …
»Nun ja, jedenfalls ist es eine große Burg, und er wird schon ein stattlicher Mann sein!«, hoffte Gisela. Sie lächelte strahlend. »Ich bin die Erste, Frau Jutta! Denkt Euch, ich bin die Erste, die Ihr verheiratet!«
Jutta von Meißen erwiderte das Lächeln etwas wehmütig.»Du bist die Erste unter deinen Freundinnen, Kind«, verbesserte sie dann. »Ich jedoch habe schon viele Mädchen heimgehen sehen, um vermählt zu werden.«
Die Markgräfin wählte diese Formulierung bewusst. Sie machte große Unterschiede zwischen den Ehen, die sie selbst stiftete, und denen, die von den Familien der Mädchen arrangiert wurden. Vor allem Letztere wurden nach Juttas Erfahrungen nicht immer glücklich. Kaum eines dieser halben Kinder bekam den strahlenden, jungen Ritter, von dem es träumte. Kaum eine Geschichte endete wie die bittersüßen Romanzen am Artushof, von denen die Mädchen an den Minnehöfen schwelgten.
Edelfräulein wie Gisela waren im Grunde nicht mehr als ein Pfand im Spiel um Bündnisse und Feindschaften, Lehen und Ländereien. Manch eine fand sich plötzlich mit einem acht- oder neunjährigen Jungen verlobt, auf dessen Erwachsenwerden sie warten sollte. Und andere endeten auf dem Lager eines Greises, der sich von der dritten oder vierten Frau endlich einen Erben erhoffte. Jutta und all die anderen Damen, die Minnehöfe führten, bemühten sich, die Ritter immerhin so weit auf die Regeln der Höfischkeit einzuschwören, dass sie ihre Frauen ehrenhaft behandelten und nicht schlugen oder verbannten, wenn irgendetwas nicht nach ihrem Kopf ging. Aber es gab noch zu viele Kämpen der alten Schule, die jeden Ärger an den Angetrauten ausließen, die man ihnen vielleicht nur deshalb aufs Lager gelegt hatte, um eine Fehde zu beenden oder eine Erbschaft zu sichern. Mitunter gefielen ihnen diese Frauen nicht, erschienen ihnen zu jung oder zu alt, zu dick oder zu dünn. Oder der erwünschte Sohn stellte sich nicht binnen Jahresfrist ein …
Jutta betete darum, dass Gisela nicht an einen alten oder gewalttätigen Gatten geriet. Das lebensfrohe Mädchen war ihr ans Herz gewachsen. Sie hätte dem blonden Wirbelwind einen Ritter aus Sizilien gewünscht oder einen heißblütigen Kastilier – und einen Hof an der Sonne.
»Nun geh und erzähl es deinen Freundinnen, Kind«, entließ sie das Mädchen huldvoll. »Und morgen suchen wir eine Mitgift für dich zusammen. Ja, ich weiß, dass dein Vater dich großzügig ausstatten wird, aber ich möchte, dass du auch etwas von mir in dein neues Leben mitnimmst!«
Gisela erlebte die nächsten Tage in einem wahren Rausch von Aufregung, Geschenken und Glückwünschen. Die anderen Mädchen bewunderten sie bereitwillig, obwohl die ältesten unter ihnen auch etwas Neid empfanden. Die Edelfräulein fühlten sich wohl an Frau Juttas Hof, aber irgendwann sehnte sich doch jede danach, ihren eigenen Haushalt zu gründen. Für Gisela kam das nun außergewöhnlich früh, und Frau Jutta mühte sich, die letzten Tage mit Unterweisung über kluge Haushaltsführung, den Umgang mit Dienstboten – und mit dem Ehegatten – zu füllen.
»Natürlich ist dein Gemahl dein Herr, und du hast ihm zu gehorchen. Aber es gibt vielfältige Möglichkeiten, ihm Wünsche zu unterbreiten und seine Handlungen nach deinen Vorstellungen zu lenken. Achte vor allem darauf, dass er dir im Haushalt möglichst freie Hand lässt – gerade an schon gewachsenen, lange frauenlosen Höfen halten oft der Kellermeister und der Koch das Heft in der Hand! Verhindere das! Du hast Lesen und Schreiben gelernt, also prüfe die Bücher. Damit hältst du auch den Hofkaplan in seinen Schranken. Sieh zu, dass er dir die Briefe vorlegt, die er für deinen Gatten schreibt.«
»Aber denkt Ihr denn, mein Gatte und ich werden auf der Burg seines Vaters leben?«, fragte Gisela naiv.
»Wo denn sonst, Kind?«, gab Jutta kopfschüttelnd zurück. »Meinst du, der Guntheimer baut ein Landschlösschen für dich und seinen Sohn? Allerdings war der Hof nicht lange frauenlos. Wie ich hörte, trug Herr Odwin erst im letzten Jahr seine dritte oder vierte Gattin zu Grabe.«
Jutta von Meißen hatte noch weitaus mehr über den Hofder Guntheimer gehört, aber all das würde Gisela früh genug erfahren. Sollte sie das Glück genießen, solange sie konnte. Vorerst überschüttete Jutta das Mädchen mit Liebe und Geschenken, sogar wertvollem Schmuck. Gisela freute sich
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