Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin
du lernen, geniale Strategien zu würdigen. Auch, wenn du sie nicht gutheißt …«
»Geniale Strategien!«, fuhr Gisela auf. »Ihr seid auf … auf seiner Seite?«
Der Großkomtur rieb sich die Stirn. »Ich bin Diplomat, kleines Fräulein. Ich habe gelernt, die Dinge von verschiedenen Seiten zu sehen. Und aus der Sicht Seiner Heiligkeit war der Kreuzzug der Unschuldigen eine hervorragende Idee – unabhängig davon, ob sich das Meer nun geteilt hätte oder nicht.«
»Wie habt Ihr denn nun überhaupt von seinem Plan erfahren?«, fragte Armand, immer noch gekränkt in seiner Ehre. »Ihr wusstet es doch eher als ich.«
Der Großmeister nickte. »Ja. Aber erst, seit ich heute in den Lateran bestellt wurde. Der Pontifex rief mich zu sich und machte mir heftigste Vorwürfe.«
»Euch?«, fragte Armand. »Wegen … wegen mir? Aber ich habe mich immer völlig unauffällig verhalten.«
De Chartres schüttelte den Kopf. »Doch nicht wegen dir, Armand! Aber du erinnerst dich vielleicht daran, dass der Tempel in Genua gebeten wurde, den Kreuzfahrern um Nikolaus Schiffe zu stellen, um sie ins Heilige Land überzusetzen.«
Armand nickte. »Die Templer haben es abgelehnt«, bemerkte er. »Genau wie die Kaufleute und Reeder.«
Der Großmeister stimmte zu. »Ja. Aber dem Pontifex war es anders berichtet worden. Er nahm an, die deutschen Kinder seien an Bord unserer Galeeren.«
Armand verstand. »Und das war ihm keineswegs recht!«, ergänzte er.
Guillaume lächelte. »Er redete natürlich ein bisschen darum herum, dass wir uns nicht in Gottes Plan einmischen sollten und dergleichen, aber vor dem Hintergrund deiner Berichte war die Wahrheit nicht schwer zu erraten. Diese Gauner aus Marseille hatten ihm gerade ein paar Tausend künftige Kreuzritter entführt, um sie auf Sklavenmärkten zu verscherbeln. Dabei war die Sache so gut geplant: Die Kinderkreuzzüge waren gescheitert, Franziskus von Assisi reumütig allein auf dem Weg ins Heilige Land.«
»Die Franziskaner stecken also wirklich dahinter?«, fragte Gisela.
Der Großkomtur nickte. »In gewisser Weise – Franziskus versprach dem Papst die unblutige Einnahme Jerusalems. Im Gegenzug erkannte Innozenz seinen Orden an. Wie weit da schon Einzelheiten besprochen wurden, werden wir wohl nie erfahren. Aber der Mönch glaubt sicher an seine Berufung – und Innozenz ist es bestimmt nur recht, dass er jetzt aus dem Weg ist. Egal, was die Sarazenen da drüben mit ihm anstellen. Das Heer neuer Glaubenskämpfer hat er schließlich geliefert, nun muss Seine Heiligkeit nur noch dafür sorgen, dass sie die Palmzweige gegen das Schwert eintauschen.«
»Das dürfte nicht schwierig sein«, bemerkte Armand und nahm einen tiefen Zug aus dem Becher Wein, den ein mürrischerWirt eben vor ihn gestellt hatte. »Die Jungen haben gelernt, sich durchzukämpfen. Man muss sie etwas auffüttern, aber dann werden sie prächtige Soldaten sein.«
»Es sind doch nur ein paar Hundert!«, brach es aus Konstanze heraus. »Ein so aufwendiger Plan – für so wenige? Und dafür all die Toten?«
»Die Toten interessieren nicht.« De Chartres lächelte. »Aber sonst habt Ihr natürlich recht, Fräulein, so ganz ist der Plan nicht aufgegangen. Man hätte die Heeresleitung in die Hände von Rittern legen müssen und nicht in die von Mönchen. Armands Berichten war eindrucksvoll zu entnehmen, wie viele Leben dadurch gerettet werden konnten, dass man die Massen strukturierte und Führungspersönlichkeiten einsetzte. Dies wäre auch durchaus im Sinne des Papstes gewesen, er hätte gleich ein Heer übernehmen können, keinen zusammengewürfelten Haufen Überlebender.«
»Und obendrein ist die Rechnung mit den französischen Kindern nicht aufgegangen«, fügte Armand hinzu.
Der Großkomtur nickte. »Innozenz hat mich zwar gebeten, mit dem Geld des Ordens so viele wie möglich freizukaufen, falls sie wirklich in Alexandria auftauchen – aber was wir da mit ihnen machen sollen, weiß er auch nicht. Auf jeden Fall habe ich es abgelehnt, sie alle als Knappen in den Tempel aufzunehmen oder sie sonst wie zu sammeln und von unseren Waffenmeistern unterrichten zu lassen. Das ist nicht unsere Aufgabe – weder drüben noch hier.«
Der Großmeister nahm einen Schluck Wein, bevor er weitersprach. »Wie auch immer. Du, Armand, hast deine Aufgabe aufs Beste erfüllt. Ich …«
»Ich habe mich entschieden«, platzte Armand heraus und warf Gisela einen halb verzweifelten, halb entschlossenen Blick zu. »Ich will … ich
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