Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin
wandte sich die junge Käuferin ungeduldig an ihren Begleiter. Der Preis für die Maultierstute schien inzwischen festzustehen. »Du musst sie mögen, schließlich ist sie für dich!«
Der Junge nickte widerstrebend, aber er fühlte sich offensichtlich unwohl. Das Mädchen schien ihm einerseits zu imponieren, andererseits hätte er den Handel wohl lieber selbst getätigt. Und ganz bestimmt würde er keinem Pferdehändler gestehen, dass er ein Maultier mochte.
»Gut, dann nehmen wir sie!«, bestimmte das Mädchen kurz. »Hat sie einen Namen?«
Der Händler und der Junge in ihrer Begleitung schienen die Frage gleichermaßen kindisch zu finden. Das Mädchen reagierte aber gar nicht darauf. Es mochte den Jungen brauchen, aber zumindest die Meinung des Mannes war ihm völlig egal. In diesem Augenblick erhob das Maultier selbst die Stimme. Es gab einen langen, dunkel pfeifenden Laut von sich.
Das Mädchen lächelte. »Nun, wie ich höre, braucht sie niemanden, der sie vorstellt. Vielen Dank, Floite, wir wissen jetzt, wie wir dich nennen sollen!«
Floite – Flöte. Armand lachte noch, als er sich abwandte, um sich um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern. Die Kleine war nicht nur selbstbewusst, sondern obendrein schlagfertig und amüsant. Und der Ausdruck auf den eher tumben Gesichtern der beiden Männer bereitete ihm das größte Vergnügen.
Armand war an diesem Morgen auf den Viehmarkt gekommen, um sich ein Pferd für den Kreuzzug auszusuchen.Er hatte seit Basel einen Hengst aus den Ställen der Templer geritten, ihn dann aber in Köln zurückgegeben. Als Fußgänger im Heer der Kreuzfahrer fiel er weniger auf. Mittlerweile war er des Wanderns allerdings müde.
Nikolaus und seine Anhänger waren gut vorangekommen. Allein am ersten Tag liefen die Kinder dreizehn Meilen – wohl auch in der Furcht, doch noch von Häschern des Erzbischofs oder des Kölner Magistrats eingeholt und zerstreut zu werden. Bestrebungen dazu waren zweifellos im Gange, vor allem besorgte Eltern holten ihre Sprösslinge auch noch Tage nach deren Flucht zurück – seltener taten dies wütende Lehrherren. Manchmal kamen die erschöpften Kinder ganz gern mit, aber oft wehrten sie sich heftig und flüchteten sich zu Nikolaus, der daraufhin eine Entscheidung traf.
Armand wusste nicht, was er den Kindern und Eltern riet, aber die Sache war ihm auf jeden Fall unangenehm, und so trieben sowohl der kleine Prediger als auch seine mönchischen Berater die Kreuzzügler zur Eile an. Sehr rasch erreichten sie Bonn, wo Nikolaus erneut um Anhänger warb. Wie zuvor tat er dies mit überwältigendem Erfolg. Die Sorge der Kreuzfahrer, an ihrem Vorhaben gehindert zu werden, ließ nach, denn mittlerweile waren so viele Kinder zusammengekommen, dass man mehr als ein paar erboste Eltern und Ratsherren gebraucht hätte, um sie aufzuhalten.
Allerdings hörte Armand, dass die Kölner Bürger Nikolaus’ Vater gefangen gesetzt hätten. Man warf ihm vor, seinen Sohn zu den Predigten angestiftet zu haben – und würde nun abwarten, ob sich das Wasser des Mittelmeers wirklich vor dem Knaben teilte. Wenn nicht, so erwartete den Mann ein böses Schicksal.
Von Bonn aus ging es weiter am Rhein entlang, und die Kreuzfahrer erreichten rasch Rolandseck. Die Stimmung war immer noch euphorisch. Die Kinder gingen Hand in Hand, sangen, tanzten und lachten. Armand ließ sich fast davon anstecken. Das strahlende Sommerwetter, die duftenden Wiesenund der blaue Himmel, das gemeinsame Erleben der Wanderung und der bislang ausreichende Proviant, mit dem die gutmütigen rheinischen Bauern das Heer ausstatteten, ließen mehr an einen Ausflug denken als an eine Pilgerfahrt. Besonders die jüngeren Kreuzfahrer hatten keinerlei Vorstellung davon, wie weit Jerusalem entfernt war. Wenn größere Städte wie Remagen in Sicht kamen, jubelten immer wieder Kinder auf, weil sie meinten, die Heilige Stadt erreicht zu haben.
Erst in Koblenz bekam die Stimmung der jungen Pilger einen deutlichen Dämpfer. Nikolaus wollte in gewohnter Manier die Stiftskirche St. Kastor in Besitz nehmen, aber der Pfarrherr verwehrte ihm das Predigen auf den Stufen seines Gotteshauses.
»Was ihr da tut, ist nicht gottgefällig!«, erklärte er kategorisch. »Der Herr braucht keine Ansammlung von armen Tröpfen, um sein Land zu befreien, und er würde gewiss kein Kind schicken, um sie dorthin zu führen. Selbst seinem eigenen Sohn gab er dreißig Jahre, um zu reifen, bevor er ihm auftrug, sein Werk zu
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