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Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin

Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin

Titel: Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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sogar getragen werden –, sinnierte Armand über die Organisation dieses seltsamen Kreuzzuges. Einerseits verlief die Rekrutierung der »Soldaten Gottes« reibungslos, denn täglich stießen neue Gruppen junger Menschen zum Heer, die von Nikolaus’ Boten in anderen Landesteilen angeworben worden waren. Die Auswahl der Gesandten war also sehr geschickt erfolgt. Andererseits zog niemand voraus und bereitete Quartiere für die Kinder vor, niemandplante die Route und bestimmte geeignete Rast- und Lagerplätze. Die nach der Tageswanderung erschöpften Kinder ließen sich da niedersinken, wo sie gerade waren, und entfalteten ihre Decken. Ein paar Kräftige entzündeten Feuer, ein paar Reiche ließen Zelte aufbauen. Aber es gab keine Straßen zwischen den verschiedenen Gruppen der Kreuzzügler, keine speziell ausgewiesenen Latrinen, keine Wachdienste. Nicht einmal die Verteilung von Proviant wurde geplant – die Kinder kauften oder erbettelten sich Essen oder plünderten Obstplantagen. Bei den Bauern brachte sie das schnell in Verruf. Schon jetzt erwarteten diese das Heer nicht mehr mit Körben voller Essen, sondern geschulterten Schlagstöcken. Die anhaltende Dürre trug zu dieser feindseligen Stimmung bei. Das Rheinland erwartete eine mäßige Ernte, und niemand wollte riskieren, dass die kleinen Kreuzfahrer die Ähren vom Feld stahlen.
     
    Nach reiflicher Überlegung schrieb Armand an Guillaume de Chartres:
    Natürlich kann es sein, dass hier Gottes Hand lenkt, aber sollten menschliche Erwägungen bei der Organisation dieses Kreuzzugs eine Rolle spielen, so offenbaren sich hier sicher eher die Gedankengänge eines Missionars als die eines Heerführers …
     
    Schließlich hatten Nikolaus und seine Anhänger Mainz erreicht, und zur Freude der Kinder hielt die reiche Stadt ihre Tore nicht verschlossen. Der Mainzer Erzbischof war zwar noch unsicher, ob er diesen Kreuzzug verdammen oder segnen sollte, aber er ließ das Heer ein. Die jungen Menschen kampierten auf dem Domplatz – versorgt von mitleidigen Bürgern – und Armand fand eine Herberge mit Badehaus.
    Während Nikolaus sich am folgenden Tag anschickte, erneut zu predigen, schärfte der junge Ritter seine Waffen und zog über den Pferdemarkt. Er wollte sich nie wieder so hilflosfühlen wie unterhalb der Burg Sonneck! Und außerdem hatte er keine Lust mehr zu laufen.
    Armand wanderte unschlüssig zwischen den Ständen der Viehhändler umher. Was er brauchte, war kein Streitross, würdig eines Ritters, sondern ein braves Allzweckpferd. Allerdings möglichst schwer genug, um ein Zelt und Armands wichtigste Waffen zu tragen. Wenn es sein musste, sollte sich auch mal ein Angriff damit reiten lassen, aber so leicht erregbar wie ein Streithengst durfte das Tier nicht sein. Die Überquerung des Brennerpasses stand Armand noch zu deutlich vor Augen – und falls Nikolaus und seine Gefolgschaft wirklich bis in die Alpen kam, würde sie bestimmt kein wegekundiger Gianni mit seinen Saumpferden über den Pass führen.
    Armand hoffte im Stillen, dass der kleine Prediger seine Anhänger nicht bis in die Berge führte. Irgendein vernünftiger und einflussreicher Kirchenfürst oder Stadtrat musste diese Bewegung aufhalten – spätestens bevor sich Tausende von Halbwüchsigen unvorbereitet in das Abenteuer der Alpenüberquerung stürzten! Armand war guten Mutes. Die meisten Kirchenoberen und erst recht die Magistrate der Städte waren zwar gläubige Christen, aber doch keine Mystiker. Sie konnten nicht annehmen, dass sich das Meer wirklich vor den Kindern teilen würde, und nicht so eine große Zahl Verblendeter in eine ungewisse Zukunft schicken.
    Der Mainzer Metropolit beriet sich noch mit seinen Vertrauten – aber die Patrizier der Domstadt hatten zumindest ihre eigenen Kinder aus dem Einflussbereich Nikolaus’ zu entfernen versucht. Oft war dazu Gewalt nötig. Armand hatte sehr unschöne Szenen auf dem Domplatz gesehen. Auch Handwerksmeister suchten ihre Lehrjungen und -mädchen und schleppten sie zurück an den Arbeitsplatz.
    »Kreuzfahrer-Eid!«, schimpfte ein stämmiger Schmied und zog seinen Lehrling an den Ohren. »Du hast einen Lehrvertrag, der dich bindet. Nur das interessiert mich. Und irgendwann wirst du mir dafür noch dankbar sein!«
    Aber auch wenn die Mainzer ihre Kinder beschützten: Jeden Tag stießen Hunderte neuer Anhänger aus der ländlichen Umgebung zu ihnen. Die wenigsten davon waren nunmehr Kinder. Eher kamen jetzt Unfreie, Knechte und Mägde, die

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