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Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin

Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin

Titel: Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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begeistert vom Anblick des Mädchens.
    »Eine Novizin?«, fragte er vorwurfsvoll, als Konstanze das Knie vor ihm beugte. Der Mainzer Oberhirte war ein schwerer,mittelgroßer Mann mit kleinen, listigen Augen. »Seid Ihr sicher, dass Ihr sie hinzuziehen wollt?«
    »Nicht irgendeine Novizin«, erklärte die Äbtissin rasch. »Schwester Konstanze ist Visionärin. Vielleicht enthüllt Gott uns mit ihrer Hilfe mehr darüber, was diese Kinder umtreibt.«
    Konstanze lauschte gespannt.
    »Aber sollte sie die Gelübde nicht ablegen, bevor Ihr sie mit nach Mainz nehmt?«, fragte der Erzbischof. »Ich sage Euch, dieser Nikolaus spricht mit Engelszungen. Den Zisterziensern sind zwölf Novizen weggelaufen! Die Minoriten ziehen gleich in Scharen mit, die sind ja sowieso ständig unterwegs. Und sie wird unweigerlich mit Männern zusammentreffen …«
    »Schwester Konstanze steht kurz vor der Ewigen Profess«, warf Schwester Maria ein. »Sie sollte allen Versuchungen des Satans widerstehen. Und wenn – wer auch immer – wirklich mit ›Engelszungen‹ redet, so besteht wohl ohnehin keine Gefahr.«
    Siegfried von Eppstein runzelte die Stirn ob ihrer selbstbewussten Rede.
    Die Äbtissin lächelte bemüht. »Unsere Schwester Maria stammt aus fremden Landen, Eure Redewendung hat sie wohl ein wenig missverstanden«, vermittelte sie. »Aber sie ist unsere Medica, ihr untersteht die Apotheke, und Schwester Konstanze wird ihr in diesem Amt nachfolgen. Meine Schwestern sind fest im Glauben, Ehrwürdiger Herr, macht Euch keine Sorgen …«
    Der Kirchenfürst lehnte sich zurück. »Also schön«, erwiderte er resigniert und griff nach einem Hühnerschenkel. Vor der Oberin und ihrem Besucher stand ein üppiges Mittagsmahl. Die Äbtissin hatte es allerdings bisher kaum angerührt. »Dann unterbreitet Euren Schwestern mal mein Begehr.«
    Während der Metropolit schmauste, erzählte die Oberin die Geschichte von Nikolaus und seinem Kreuzzug. Der Junge und sein Gefolge waren inzwischen von Köln nach Bonngewandert. Er hatte dann in Koblenz gepredigt, wo sich ihm weitere »Unschuldige« anschlossen, und war am Vortag in Mainz eingetroffen. Nikolaus’ Heer umfasste bis jetzt allein zwanzigtausend Kinder.
    »Das übliche Gelichter, das sich jedem Kreuzzug anschließt«, warf der Mainzer Oberhirte übellaunig ein. »Gauner, Taschendiebe, Huren … Aber der Knabe heißt ja jeden willkommen, der bei ihm den Eid der Kreuzfahrer leisten will. Selbst Frauen! Frauen und Mädchen auf dem Kreuzzug, habt Ihr so was je gehört? Die Raubritter auf Sonneck und Reichenstein haben sich da schon schadlos gehalten. Die Kinder klagen, es seien Mädchen verschwunden, ein paar haben sich gewehrt, die sind nun zum Teil geschändet und verwundet. Und wer soll all die Bälger füttern? Die Mainzer Bevölkerung ist überaus großzügig, und ich habe auch schon die Vorratskammern geöffnet. Aber das Ganze ist mir mehr als unheimlich! Wo soll das hinführen …?«
    Schwester Maria lächelte. »Nach Jerusalem, wenn ich es richtig verstanden habe. Aber es …«
    »… es kann doch niemand glauben, dass die Kinder dort ankommen!«, fügte die Oberin hinzu.
    Erzbischof Siegfried hob die fetttriefenden Hände. »Gottes Wege sind unerforschlich!«
    Konstanze biss sich auf die Lippen. Ob sie jetzt von Peterchen und seiner Erscheinung erzählen sollte? Sie hatte den kleinen Hirten in den letzten sechs Wochen mehrfach getroffen, und das Kind war gesund und guter Dinge. Die Vision hatte sich nicht wiederholt, Peterchen hatte sie bald vergessen. Konstanze war folglich davon ausgegangen, es wirklich mit einem Missverständnis zu tun zu haben. Aber das hier … Konnte es so einen Zufall geben? Hatte Gott Peters Gebete erhört? Hatte sich der Engel tatsächlich einen anderen gesucht?
    »Jedenfalls bittet uns Seine Eminenz, der Erzbischof …«, die Äbtissin deutete eine Verbeugung in Siegfrieds Richtung an, »… den kranken Kindern zu Hilfe zu kommen und unsansonsten auch selbst ein Bild von dem zu machen, was in Mainz vorgeht. Vielleicht enthüllt der Herr ja seiner Seherin Konstanze seine wahren Beweggründe. Und wenn nicht, so tun wir wenigstens Gutes. Also packt die Arzneien zusammen, Schwestern, und du, Maria, bestimm noch ein paar Helferinnen. Allein wird Konstanze nicht weit kommen. Lasst den Wagen auch mit Lebensmitteln füllen. Damit die Vorratskammern der Mainzer Kirche nicht gänzlich leer werden.«
    Sie lächelte den Kirchenfürsten an, der darüber äußerst befriedigt

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