Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin
völlig erschöpft. Der Weg am Rhein entlang war zwar nicht schwierig, aber die Julisonne stand hoch am Himmel, und sie wanderten seit sechs Stunden ohne Pause und ohne Schatten am Wasser entlang. Immer wieder brachen Mädchen oder kleinere Kinder zusammen, bis schließlich selbst Nikolaus und die Mönche ein Einsehen hatten und einen Halt einlegten. Der junge Prediger wirkte ausgeruht. Jemand hatte eine Plane als Sonnenschutz über sein Wägelchen gehängt, und er hatte darunter wohl die meiste Zeit geschlafen. Jetzt nutzte er die Mittagspause, um wie ein tröstender Engel durch die Reihen seiner Anhänger zu schreiten und ihnen Mut zuzusprechen.
Magdalena war hingerissen, als er sich auch ihrem Lager näherte. Konstanze kämmte und entwirrte eben ihr frisch gewaschenes Haar. Für ein Badehaus war ja nun keine Zeit mehr gewesen, aber der Fluss tat es auch, und zu Magdalenas und Konstanzes einhelliger Begeisterung fand sich in Giselas Gepäck duftende Seife. Konstanze hatte so etwas seit ihrem Klostereintritt nicht mehr in der Hand gehabt und Magdalena überhaupt noch nie. Die Kleine konnte ihr Glück kaum fassen, zumal Dimma auch ihr schmutziges Kleid mit den Fingerspitzen beiseitewarf.
»Das kann sie nach dem Bad nicht mehr anziehen, das lässt sich ja nicht mal mehr waschen!«, rief die Kammerfrau resolut. »Aber ich kann ihr rasch etwas ändern. Giselas Reitkleid – oder das zweite Pilgergewand.«
Magdalena durfte wählen und brach über die Entscheidung fast in Tränen aus. Sie hatte nie so edlen Stoff angefasst wie den des dunkelgrünen Reitkleides – aber andererseits glaubte sie aus ganzem Herzen an den Erfolg des Kreuzzuges und wollte die Mission nicht gefährden, indem sie sich hoffärtig zeigte. So nahm sie denn letztlich das Pilgergewand und freute sich über die Wahl, als Nikolaus zu ihnen trat und ein paar freundliche Worte zu ihnen sprach. Er fragte das Mädchen sogar nach seinem Namen. Magdalena musste erst dreimal schlucken, bevor sie ihn herausbrachte.
»Es ist schön, dich bei uns zu haben, Magdalena!«
Nikolaus lächelte ihr zu und ging weiter, aber Magdalena verschloss die Worte in ihrem Herzen. Sie verfolgte den Jungen mit brennenden Augen. Er war wundervoll. So blond und schön, so klug – und seine hellen, guten Augen schienen geradewegs in ihre Seele zu blicken.
Ob er ihr vergeben würde? All ihre Sünden? Aber das geschah ja schon von selbst, wenn sie Jerusalem befreiten! Magdalena träumte davon, dass Nikolaus dann ihre Hand nahm und sie gemeinsam lachend und singend durch die goldgepflasterten Straßen liefen.Trotz aller Bemühungen verlor das Heer an diesem Tag aber erstmalig Mitstreiter. Es war einfach zu heiß zum Wandern, und vor allem die in Mainz neu hinzugekommenen Kinder verloren schnell den Spaß an ihrem Abenteuer. Viele kehrten gegen Abend um, was die Mönche verärgerte, Nikolaus aber kaum irritierte.
»Wer zu schwach ist, kann gern gehen!«, erklärte er.
Noch hatten sich keine großen Lücken im Heer aufgetan. Auf den Rheinwiesen wurde Heu eingebracht, und so manchem schwer arbeitenden Tagelöhner schien die Fahrt nach Jerusalem viel verlockender als das Heuwenden in glühender Sonne. Nikolaus schien das instinktiv zu erfassen und sprach bald jeden an, den er am Wegrand schwer arbeiten sah.
»Was verausgabst du dich hier auf fremden Weiden? Gott ruft dich in seinen Weinberg!«
Besonders die jüngeren Leute ließen sich das nicht zweimal sagen. Während die Bauern fluchten, warfen die Knechte und Mägde ihre Heugabeln fort und schlossen sich dem Kreuzzug an.
»Es ist wie ein Wunder!«, freute sich Magdalena, nachdem ein lachender junger Knecht sein Vesperbrot mit ihr geteilt hatte. »Als müssten sie Nikolaus folgen, als riefe Gott selbst sie zu uns!«
»Der Knabe sollte sich da lieber zurückhalten, wenn er heute Abend etwas essen will«, bemerkte Dimma, die stets schlicht dachte. »Mit der Werberei am Weg vergrätzt er die ganze Bauernschaft. Was meint ihr, wie schnell sich das herumspricht! Passt auf, in einer oder zwei Stunden seht ihr hier nur noch erwachsene Bauern, die ihr eigenes Land bestellen – und höllisch aufpassen, dass keiner auch nur einen unreifen Apfel von einem Baum pflückt. Auf Almosen hoffen wir heute sicher vergebens. Die Bauern werden uns nicht mal was verkaufen, wenn das so weitergeht. Und da reden wir noch gar nicht über ein Obdach, das wir brauchen werden, wenn sich das da entlädt.«
Die alte Kammerfrau zeigte in den
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