Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin
Himmel.
Dunkle Wolken brauten sich über den Weinbergen um Mainz zusammen. Sie waren noch weit entfernt, aber zweifellos würde es ein gewaltiges Gewitter geben – ein weiterer Grund, weshalb Nikolaus’ Missionstätigkeit die Bauern gegen ihn aufbrachte. Sie mussten das Heu einbringen, bevor es regnete. Und dafür brauchten sie so viele Leute wie nur möglich.
Armand, dem schon seit Stunden Ähnliches durch den Kopf ging, meldete sich zu Wort. »Wenn ich einen Vorschlag machen darf – warum schicken wir nicht Euren Rupert …«, er vermied geschickt, das Wort Knecht auszusprechen, »… voraus, um Vorräte zu erstehen und vielleicht auch irgendwo Quartier zu machen? Das Maultier hätte rasch eine Stunde oder mehr Vorsprung, und Rupert könnte sich im nächsten Dorf mit allem eindecken, was wir benötigen. Vielleicht fände sich auch eine trockene Schlafgelegenheit für die Frauen und ein paar Kinder. Auf jeden Fall hätten wir heute Abend zu essen, egal was passiert.«
Gisela schien der Vorschlag zu gefallen, aber Rupert machte sein übliches, mürrisches Gesicht.
»Warum geht Ihr nicht selbst, Herr Ritter?«, fragte er provokant. Er hatte sichtlich keine Lust, den Kreuzzug – oder Gisela? – zu verlassen.
Armand runzelte die Stirn. Diplomatie war sicherlich gut, aber der Junge musste in seine Schranken gewiesen werden.
»Weil ich mein Schwert geschickter führe als du dein Messer, Knecht!«, gab er mit strenger Stimme zurück. »Hier kann es jederzeit zu Rangeleien kommen, wenn ein Bauer seine Knechte wieder zurückhaben will oder gar ein Grundherr seine Fronarbeiter! Und Sonneck und Reichenstein sind auch nicht die einzigen Raubritterburgen am Rhein. Da habe ich die Kinder gern unter meinem Schutz.«
Armand sagte »Kinder«, meinte aber vor allem Gisela und Konstanze. Letztere schien sich zwar selbst nicht für gefährdetzu halten, aber sie war auf ihre Art ein ebenso schönes Mädchen wie das blonde Edelfräulein. Und die Raubritter würden auch Magdalena und ein oder zwei andere Mädchen in ihrer Gruppe für alt genug halten, als Mägde oder Huren verkauft zu werden.
»Dieses Heer ist in Gottes Hand!«, wiederholte Rupert halsstarrig ein Wort Nikolaus’.
Gisela schlug die Augen zum Himmel. Armand fragte sich wieder einmal, wie viel von Nikolaus’ Predigten das Mädchen glaubte und aus welchen Gründen es dem kleinen Prediger tatsächlich folgte. Aber zumindest hatte es jetzt wohl genug von Ruperts Frechheiten.
»Rede nicht so viel, Rupert, sondern mach dich auf den Weg!«, bestimmte Gisela kurz angebunden. »Falls du keinen besseren Einfall hast oder plötzlich gelernt, ein Schwert zu führen. Und am besten reitest du Smeralda und nimmst Floite als Packpferd. Hier sind viele Mäuler zu stopfen.«
Gisela glitt geschmeidig vom Pferd und nahm ihre kleine Mitreiterin an die Hand. »Wir laufen jetzt ein bisschen, Marie«, erklärte sie. »Und Rupert nimmt das Pferd, reitet vor und kauft uns etwas Gutes zu essen!«
Die Kinder um sie herum äußerten Zustimmung. Mittags hatte es für jeden nur einen kleinen Kanten Brot gegeben, und sie waren zweifellos hungrig.
Konstanze dachte, dass Giselas Geld nicht allzu lange reichen würde, wenn sie weiter so großzügig damit umging. Schon jetzt scharten sich rund fünfzehn Kinder um die kleine Adelige. Wenn sie diese alle bis Jerusalem oder zumindest bis zum Meer versorgen wollte, brauchte sie mehr als ein paar Schmuckstücke.
Immerhin erwies sich wenigstens Rupert als sparsam und vernünftig. Der Junge war schließlich nicht dumm, und eigentlich hatte er Armands Argumente auch sofort eingesehen. Wenn er sich dennoch sperrte, so lediglich aus Prinzip,merkte er doch, dass dieser Ritter nur darauf brannte, mit Gisela allein zu sein! Als er dann aber erst mal unterwegs war, machte er das Beste aus der Situation: Statt Giselas Geld auszugeben, verdingte er sich im nächsten Dorf bei einem Bauern, der viel Land hatte und nun verzweifelt versuchte, die Heuernte vor dem Gewitter abzuschließen. Ruperts Hilfsangebot kam ihm gerade recht, und da der Junge geschickt war und fast so viel schaffte wie normalerweise zwei Mann, entlohnte er ihn anschließend reichlich mit Brot, Milch und Käse. Sogar etwas Schinken und ein Schlauch Wein fielen ab.
»Von mir aus kannst du bleiben!«, lud der Bauer den Jungen ein und schüttelte ungläubig den Kopf, als Rupert von Jerusalem erzählte.
»Was für eine Torheit«, murmelte er dann nur. »Und du meinst, da kommen noch ein
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