Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin
mir jetzt versprechen, dass Ihr an den Rand der Erdenscheibe für mich reiten würdet, um mir eine Blumezu bringen, die dort wächst, wo die Welt zu den Sternen hin abfällt.«
Armand lachte schallend. Er hatte von diesem Spiel namens »Gab« gehört, es aber nie selbst gespielt. Es war an Minnehöfen geläufig, und es ging darum, dass sich die jungen Ritter in Versprechungen darüber überboten, was sie bereit wären, für ihre Damen zu tun. Zum Teil wurden dabei die absurdesten Dinge zusammenfabuliert, und natürlich dachte keiner an ihre Einhaltung. Aber geschickt formuliert, grenzte Gab fast an Dichtung.
»Dann könnte es nur sein, dass ich nie ankomme«, neckte er seine kleine Dame. »Die chinesischen Seefahrer behaupten, die Erde sei eine Kugel. Und auf jeden Fall würde ich irgendwann ins Meer fallen. Wo ich dann eine Zauberin bräuchte, die mein Pferd verhexte, sodass es bereitwillig hindurchschwämme.«
Armand klopfte dem braven Comes den Hals, der sicher dahinschritt, aber bestimmt nicht willig wäre, mehr als ein paar Längen zu schwimmen.
»Keine Zauberin!«, bestimmte Gisela augenzwinkernd. »Dann wäre ich eifersüchtig. Aber vielleicht könnte ja … Frau Venus das Meer für Euch teilen.«
Das kleine Mädchen vor ihr im Sattel regte sich. »Teilt das denn eine Dame?«, erkundigte es sich. »Nikolaus sagt, der liebe Herr Jesus macht das.«
Armand wollte sich ausschütten vor Lachen. »Nun, Fräulein Gisela, dann seht mal, wie Ihr der Kleinen jetzt die Gotteslästerung erklärt!«, beschied er das Edelfräulein und ließ Comes ein paar Schritte vorsprengen.
Er fühlte sich so leicht und beglückt wie lange nicht mehr. Armand mochte nicht der beste Gab-Spieler sein, aber das Leuchten in Giselas Augen hatte er sich bestimmt nicht eingebildet. Er hoffte, dass es nicht nur die Freude am Spiel war, sondern auch ein bisschen Zuneigung – für ihren erwählten Ritter.Das Kinderheer zog nun weiter nach Speyer, und das Wetter meinte es zunächst gut mit Nikolaus und seinen Leuten. Trotzdem verringerte sich die Schar der Kreuzfahrer fast jeden Tag. Ein paar der Jungen, aber auch erwachsene Bettler und Tagediebe bekamen langsam Angst vor der eigenen Courage. Der Weg war weit, die Verpflegung schlecht. Ihre Schuhe waren durchgelaufen, ihre Fußsohlen wund, das Wandern wurde mühsam. Immer wieder kehrten ganze Gruppen um oder blieben einfach in den Städten, durch die das Heer zog. Armand und im Stillen auch Konstanze begrüßten diese Abgänge – aber als dann das Wetter wieder schlechter wurde, verlor die Truppe auch auf traurige Weise an Mitstreitern.
»Ich kann nichts machen, die Kleinen sterben einer nach dem anderen«, klagte Konstanze.
Die Kreuzfahrer zogen seit Tagen durch dichte Eichen- und Ulmenwälder. Bis Straßburg lag keine größere Stadt mehr am Weg, und die Bauern rückten keine Almosen heraus. Hier im Süden war die Trockenheit in der ersten Sommerhälfte noch ernster gewesen als um Köln und Mainz, und jetzt verregnete die ohnehin spärliche Ernte. Mit den wenigen Früchten seiner Arbeit gedachte das Landvolk verständlicherweise die eigenen Kinder zu füttern, und für Kreuzfahrer hatte man sowieso nichts übrig. Schon frühere, bewaffnete Heere waren diesen Weg gezogen – und hatten nicht gefragt, bevor sie sich bei den Bauern verproviantierten.
Nikolaus’ Schar brachten die Dörfler nun nur Hohn und Spott entgegen. Er solle nach Hause gehen, so rieten sie ihm, und ein Handwerk erlernen. Der kleine Prophet nahm die Ablehnung scheinbar unerschrocken hin und hieß seine Kreuzfahrer, auch für die geizigen Bauern zu beten. Seine Anhänger reagierten aber eher ärgerlich, die älteren Jungen brachen gern mal in Kornspeicher und Hühnerställe ein, um sich ihr Essen zu sichern. Der Großteil der Kinder aber hungerte.
»Wenn wir wenigstens Fallen stellen könnten«, murrte Rupert.
Die Wälder waren reich an Hoch- und Niederwild, das man hätte jagen können. Aber dazu hätte das Heer rasten oder seine Führung hätte Jäger abstellen müssen. Auf Letzteres kamen jedoch weder Nikolaus noch seine geistlichen Berater, und jede Verzögerung lehnten sie ab.
»Ein Falke wäre gut«, seufzte Gisela.
Den Vogel hätte sie auch auflassen und zur Jagd schicken können, während sie mit dem Heer weiterzog.
Armand nickte. »Oder ein halbwegs gut ausgebildeter Windhund, der Hasen reißt und bringt. Aber macht Euch keine Illusionen, Gisela. Bei dem ausgehungerten Volk um uns herum endeten der Vogel
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