Der Einbruch des Meeres
Verbindungsstelle überragte, stand der Ingenieur sprachlos da und konnte kaum seinen Augen trauen, als er trauernd die schreckliche Verwüstung betrachtete. Die beiden Offiziere neben ihm zeigten sich ebenso peinlich überrascht, während die Mannschaften am Fuße der Düne Halt gemacht hatten.
»An Nomaden, die diesen Schurkenstreich ausgeführt haben könnten, fehlt es ja hier im Lande nicht, sagte Kapitän Hardigan, mögen das nun von ihrem Häuptlinge dazu angestachelte Stämme, Tuaregs oder andre gewesen sein, die aus den Oasen des Melrir herbeigeströmt waren. Die über das geplante Saharameer erbosten Karawanenplünderer werden in großen Massen gegen den Werkplatz am Kilometerstein 347 angestürmt sein. Hier wäre es unerläßlich nötig gewesen, die Umgebung Tag und Nacht durch Magzems überwachen zu lassen, um Angriffe der Nomaden zu verhindern.«
Die vom Kapitän Hardigan erwähnten Magzems bilden eine Ergänzungstruppe der regulären afrikanischen Armee. Sie rekrutieren sich aus Spahis und Zambas, die mit dem Polizeidienst im Innern und mit der summarischen Unterdrückung widerspenstiger Elemente betraut sind. Man wählt sie aus intelligenteren und sich freiwillig meldenden Leuten, die aus irgendwelchem Grunde bei ihrem Stamme nicht mehr bleiben wollen. Sie tragen zur Unterscheidung einen blauen Burnus, die Scheiks dagegen einen braunen, und der rote Burnus bildet die Uniform der Spahis und auch die Staatskleidung der großen Häuptlinge. In allen wichtigeren Ortschaften des Djerid trifft man Abteilungen dieser Magzems an. Es hätte aber ein ganzes Regiment von ihnen zusammengestellt werden müssen, während der Dauer der Arbeiten von einem Kanalteile zum andern zu schwärmen, um einer stets möglichen Erhebung der Eingebornen, deren feindliche Gesinnung man kannte, mit Erfolg entgegenzutreten. War das neue Meer erst geschaffen und durchfurchten Schiffe die überfluteten Schotts, so waren solche Feindseligkeiten weniger zu fürchten.
Bis dahin mußte das Land aber strengstens überwacht werden. Angriffe, wie sie hier die Endstrecke des Kanals zu erdulden gehabt hatte, konnten sich auch anderswo wiederholen, wenn die Militärbehörden nicht für Aufrechthaltung der Ordnung sorgten.
Der Ingenieur und die beiden Offiziere beratschlagten miteinander, was unter den vorliegenden Verhältnissen zu tun wäre. Sollten sie zuerst versuchen, die von Norden her abgesandte Arbeiterrotte aufzufinden? Doch wie? Nach welcher Seite sollten sie sich deshalb wenden? Das war jedenfalls die wichtigste Frage. Zuerst müsse man sie – meinte von Schaller – und wenn möglich ohne Zeitverlust zu finden suchen, denn wie die Dinge lagen, wurde ihre Abwesenheit vom Treffpunkte immer beunruhigender. Alles weitere bliebe einer späteren Entschließung vorbehalten.
Gelang es, diese Leute, Werkmeister und Arbeiter, hierher zu führen, so ließen sich die Beschädigungen das glaubte von Schaller wenigstens, noch rechtzeitig ausbessern.
»Wenn sie dabei genügend geschützt werden, sagte Kapitän Hardigan; mit meinen wenigen Spahis wäre ich aber kaum der Aufgabe gewachsen, über sie, im Fall wir die Leute fänden, zu wachen und sie gleichzeitig gegen Überfälle vielköpfiger Räuberbanden zu schützen.
– Ja, Herr Kapitän, stimmte der Leutnant Vilette ein, wir brauchen unbedingt Verstärkung und sollten uns diese so bald wie möglich zu verschaffen suchen.
– Am nächsten läge uns dafür Biskra«, erklärte Kapitän Hardigan.
Diese Stadt liegt im Nordwesten vom Melrir am Anfange der Großen Wüste und der Ebene von Ziban. Sie gehört seit 1845, wo die Algerier sie einnahmen, zur Provinz Konstantine. Lange Zeit der vorgeschobenste Punkt in der Sahara, den Frankreich besaß, hatte sie jetzt einige tausend Einwohner und auch ein Militärkommando. Ihre Garnison konnte demnach, wenigstens zeitweilig, einen Truppenteil abgeben, der im Verein mit den Spahis des Kapitäns Hardigan genügte, die Arbeiter zu schützen, wenn es gelang, diese dem Werkplatze zuzuführen.
Beeilte man sich gebührend, so mußten wenige Tage genügen, Biskra zu erreichen, das weit näher als Tozeur und das ebenso entfernte Nefta lag. Diese beiden Ortschaften hätten aber keine solche Verstärkung liefern können wie Biskra, und wenn man sich dahin wendete, winkte außerdem noch die Aussicht, Pointar zu treffen.
»Ja, bemerkte dazu der Ingenieur, was soll es aber nützen, die Arbeiten zu beschützen, wenn die Arme fehlen, sie auszuführen? Von
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