Der Einbruch des Meeres
Bursche…
– Glaub’s dir… das stimmt!« antwortete Pistache, der beim Gebrauch dieses volkstümlichen Ausdrucks »Herrn« François zum ersten Male duzte, ohne daß der »seine Mann« sich dadurch verletzt fühlte.
Auf das Gewitter des vorigen Tages folgte das herrlichste Wetter. Am Himmel hing kein Wölkchen, kein Windhauch strich über das Schott hin. Der Marsch verlief aber doch unter großen Beschwerden. In diesem Teil der Bodensenke traf man auf keine einzige Oase, und auf den Schutz von Bäumen konnte die Truppe erst an der Grenze des Henguiz rechnen.
Sohar trieb zur Eile an. Ihn verlangte es, Zenfig zu erreichen, wo ihn sein Bruder erwartete. Den Gefangenen freilich konnte auf keine Weise der Gedanke kommen, daß sie Hadjar in die Hände gefallen wären. Kapitän Hardigan und Herr von Schaller glaubten vielmehr und doch mit einigem Rechte, daß der letzte Überfall nicht allein der Beraubung des Lagers bei Goleah gegolten habe, denn das hätte sich kaum der Mühe gelohnt. Der Handstreich, meinten sie, wäre vielmehr ein Racheakt der Stämme des Melrir, und wer konnte wissen, ob der Kapitän und seine Begleiter das Projekt eines Saharameeres nicht mit ihrer Freiheit, vielleicht mit ihrem Leben büßen sollten.
Am ersten Tage wurden zwei Etappen, zusammen eine Strecke von fünfundzwanzig Kilometern, zurückgelegt. Die Hitze war, wenn auch nicht erstickend schwül, da kein Gewitter drohte, immerhin sehr stark. Wer während des Marsches am meisten zu leiden hatte, das war jedenfalls François, der auf dem Rücken eines Mehari hockte.
Wenig gewöhnt an diese Art des Reitens, fühlte er sich, wie man sagt, vollkommen zerschlagen, und um nicht herunter zu fallen, mußte er sich verzweifelt anklammern, so hart war die Gangart des Tieres.
Die Nacht verlief ruhig, die Stille wurde nur durch ein entferntes Gebrüll von Raubtieren unterbrochen, die auf dem Schott umherschweiften.
Auf diesen ersten Wegstrecken hatte Sohar gewissen Pfaden folgen müssen, die er genau genug kannte, um nicht im Moraste daneben zu versinken. Am nächsten Tage ging der Weg dagegen über den Boden des Henguiz, der überall fest und sicher war.
Der Marsch am 15. April verlief also unter weit günstigeren Umständen, als der am Tage vorher, und am Abend langte Sohar mit seinen Gefangenen an der Oase Zenfig an.
Wie erstaunten aber alle und welch gerechtfertigte Beunruhigung erfüllte sie, als sie hier plötzlich Hadjar gegenüber standen!
Vierzehntes Kapitel.
In Gefangenschaft.
Das Bauwerk, wohin die Gefangenen Sohars geführt wurden, war der alte Bordj des Fleckens. Schon seit einer Reihe von Jahren lag er in Ruinen. Seine verfallenen Mauern krönten einen mäßig hohen Hügel an der Westgrenze der Oase. Früher, zur Zeit der großen Kämpfe zwischen den verschiedenen Stämmen des Djerid, hatte diese Befestigung, ein einfaches Fort, den Tuaregs von Zenfig als Stützpunkt und Rückhalt gedient; nach der Beruhigung des Landes hatte sich aber niemand darum bemüht, es wieder auszubessern und in gutem Zustande zu erhalten.
Ein an vielen Stellen durchlöcherter »Sour« diente dem Bordj als Umwallung, und über das Ganze erhob sich ein seiner Spitze beraubtes Minaret, von dem aus man nach allen Seiten eine weitreichende Aussicht hatte.
So verfallen der Bordj auch war, enthielt er in seinem mittleren Teile doch noch einige bewohnbare Räume. Zwei oder drei nach einem innern Hofe zu gelegene Gemächer, die freilich ohne alle Möbel und ohne Wandbekleidung waren und die dicke Wände voneinander schieden, konnten noch gegen gelegentliche Unwetter in der guten und gegen die Kälte in der schlechten Jahreszeit Schuh gewähren.
Hierher waren nun der Ingenieur der Kapitän Hardigan der Brigadier Pistache, »Herr« François und die beiden Spahis sofort nach dem Eintreffen in Zenfig gebracht worden.
Hadjar hatte kein Wort an sie gerichtet, und Sohar, der sie unter der Bedeckung von einem Dutzend Tuaregs nach dem Bordj führte, gab auf ihre Fragen keine Antwort.
Bei dem Überfalle auf das Lager war es dem Kapitän Hardigan und seinen Begleitern natürlich unmöglich gewesen, ihre Waffen – Säbel, Revolver und Karabiner – zu ergreifen. Sie wurden zu schnell überwältigt, durchsucht und des Geldes, das sie bei sich hatten, beraubt. François aber schnaubte vor gerechter Entrüstung, daß die Räuber ihm auch sein gesamtes Rasierzeug entrissen hatten.
Als Sohar sie allein gelassen hatte, besichtigten der Kapitän und der Ingenieur
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