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Der Einbruch des Meeres

Der Einbruch des Meeres

Titel: Der Einbruch des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Uhr, bemerkte der Kapitän Hardigan, der sich zur Beobachtung auf dem Minaret befand, in Zenfig eine lebhaftere Bewegung. Es klang wie ein Getrappel von Pferden und wie ein Klirren von Waffen, das man bis dahin niemals gehört hatte. Gleichzeitig strömte die Bevölkerung in großer Menge nach dem freien Platze, wohin auch zahlreiche Reiter unterwegs waren.
    Sollte der Kapitän Hardigan nebst seinen Gefährten heute etwa Hadjar vorgeführt werden?
    Nein, auch heute geschah das nicht, vielmehr deutete alles auf einen Aufbruch des Tuareghäuptlings hin. Mitten auf dem Platze zu Pferde sitzend, ließ er gegen hundert Reiter wie zur Besichtigung an sich vorüberziehen.
    Eine halbe Stunde später setzte sich Hadjar an die Spitze des Trupps und ritt von dem Flecken aus in der Richtung des Henguiz hin.
    Der Kapitän begab sich sofort nach dem Hofe hinunter und berichtete seinen Gefährten von dem Aufbruche der Reiter.
     

    Der Hund war ihm an die Kehle gesprungen. (S. 197.)
     
    »Das handelt sich wieder um einen Angriff auf Goleah, wo die Arbeiten jedenfalls wieder aufgenommen worden sind, meinte der Ingenieur.
    – Wer weiß da, ob Hadjar nicht unterwegs mit Vilette und seiner Abteilung zusammenstößt, sagte der Kapitän.
    – Ja… möglich ist wohl alles, sicher aber ist das nicht, antwortete der Brigadier. Gewiß ist nur das eine, daß sich uns jetzt, wo Hadjar mit seinen Spießgesellen abgezogen ist, der Augenblick zum Entfliehen bietet.
    – Wie aber? fragte einer der Spahis.
    – Ja… wie?… Wie können wir die Gelegenheit benützen, die sich uns jetzt darbietet? Sind die Mauern des Bordj heute nicht ebenso unübersteigbar wie vorher? Vermöchten wir denn die von außen sorgsam verwahrte Tür zu sprengen? Und wenn das möglich wäre, von wo könnten wir auf Unterstützung hoffen?«
    Diese Unterstützung kam jedoch, und zwar unter folgenden Umständen:
    In der folgenden Nacht ließ der Hund, wie schon beim ersten Male, ein dumpfes Bellen hören, und gleichzeitig scharrte er auf dem Erdboden neben der Tür. Von seinem Instinkt geleitet, hatte Coupe-à-Coeur eine Öffnung unter diesem Teile des Sour aufgespürt, ein halb mit Erde gefülltes Loch, das vom Innern nach außen eine Verbindung herstellte.
    Und plötzlich sah ihn der Brigadier ganz wider Erwarten im Hofe auftauchen.
    Ja… Coupe-à-Coeur stand neben ihm, sprang bellend hin und her, und es kostete einige Mühe, das brave Tier etwas zu beruhigen.
    Sofort stürmten der Kapitän Hardigan, Herr von Schaller und die übrigen aus dem Schlafraum hervor und folgten dem Hunde, der wieder nach dem Loche lief.
    Dieses bildete die Mündung eines schlauchartigen Ganges, und es mußte genügen, rings herum noch einige Steine auszubrechen, damit ein Mensch sich hindurchwinden könnte.
    »Da winkt uns eine Aussicht zur Flucht!« rief Pistache.
    Ja… eine sehr unerwartete, die noch in derselben Nacht, und ehe Hadjar nach Zenfig zurückkehrte, benützt werden mußte.
    Und doch bot der Weg durch den Flecken und weiter durch die Oase gewiß noch die ernstesten Schwierigkeiten. Wohin sollten sich die Flüchtlinge inmitten der tiefen Finsternis wenden? Liefen sie nicht Gefahr, der Reitertruppe Hadjars zu begegnen? Wie sollten sie überhaupt die fünfzig Kilometer bis Goleah ohne Lebensmittel zurücklegen, da sie zu ihrer Ernährung ja nichts hatten, als die Früchte und die eßbaren Wurzeln der Oase?
    Doch keiner von ihnen wollte sich durch solche Gefahren abschrecken lassen. Sie zögerten keinen Augenblick, zu entfliehen. Alle folgten dem Hunde durch die Öffnung, durch die dieser zuerst verschwand.
    »Nun vorwärts, sagte der Offizier zu Pistache.
    – Nach Ihnen, Herr Kapitän,« antwortete der Brigadier.
    Es mußte eine gewisse Vorsicht beobachtet werden, um ein Nachstürzen von Steinen aus der Mauer zu verhüten. Das glückte jedoch den Gefangenen, und etwa zehn Minuten später standen sie auf dem Ringwege des Bordj.
    Die Nacht war sehr dunkel, wolkig und sternenlos. Der Kapitän Hardigan und seine Gefährten hätten nicht gewußt, welche Richtung sie einschlagen sollten, wenn der Hund ihnen nicht als Führer gedient hätte. So brauchten sie sich nur auf das intelligente Tier zu verlassen. Übrigens begegneten sie niemand in der nächsten Umgebung des Bordj, von dessen Abhängen sie sich bis zum Saume der ersten Bäume hinabgleiten ließen.
    Es war jetzt elf Uhr nachts. In der Ortschaft herrschte tiefe Stille und durch die Fensteröffnungen – wirkliche Schießscharten

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