Der Einfaltspinsel
Rocks trank und Eva und Tante Joan über die Familie zu Hause in England plauderten, entdeckte Samantha ein altes tragbares Tonbandgerät in Wallys Toberaum. Es hatte eine automatische Endabschaltung und ein großes Tonband mit vier Stunden Spieldauer. Als Wally und seine Frau endlich rauf ins Schlafzimmer wankten, lief unter dem extrabreiten Bett das Gerät. Und Wally wollte einen wegstecken.
»Na komm schon, Süße«, sagte er. »Wir werden auch nicht jünger und …«
»Sprich gefälligst für dich selbst«, sagte Tante Joan. Sie war gar nicht gut drauf. Eva hatte ihr erzählt, dass Maude, Tante Joans Schwester, beschlossen hatte, lesbisch zu werden und mit einem Schwulen zusammenlebte, der eine Geschlechtsumwandlung hinter sich hatte. Auf solche Neuigkeiten aus der Familie konnte sie verzichten. Und sie konnte auch darauf verzichten, dass Wally sie besprang. Lesbisch zu werden hatte manches für sich.
»Ich spreche ja für mich«, sagte Wally. »Kann für keinen anderen Menschen sprechen. Du hast schließlich keine verdammte Prostata oder falls doch, hab ich es Dr. Hellster nicht erwähnen hören, zu dem ich in Atlanta gehe. Er sagt, er soll hart werden, sonst geht’s bergab.«
»Hart werden? Zum Hartwerden benutzt du ihn nicht. Wenigstens ist es mir in letzter Zeit nicht aufgefallen. Bist du dir sicher, dass du ihn nicht samt deinem Haarteil im Bad gelassen hast? Als wollte man ’ne Meeresschnecke in Fahrt bringen.«
»Tja«, sagte Wally, der diesen Vergleich offenbar nur mit Mühe ignorierte. »Und es ist eh unwahrscheinlich, dass ich einen hochkriege, wenn du mir das Vorspiel verweigerst.«
»Vorspiel? Du glaubst, eine Frau muss das Vorspiel machen? Wenn du das glaubst, hast du die falsche Frau. Eigentlich bist du für das Vorspiel zuständig. Beispielsweise mit der Zunge und so.«
»Ach du dickes Ei!«, sagte Onkel Wally. »Du verlangst in deinem Alter von mir, dass ich die alte Mundorgel spiele? So wie die Wale mit ’m Atemloch, nur umgekehrt? Scheiße. Für solche Sprüche ist nicht die richtige Zeit.«
»Tja, es ist aber auch nicht die richtige Zeit, von mir zu verlangen, dass ich dir einen blase.«
»Ich hab nicht vom Blasen geredet. Das letzte Mal hast du das ungefähr zur Zeit der Watergate-Anhörung gemacht.«
»So hat’s auch geschmeckt«, sagte Tante Joan. Nach einigem Hin und Her war sie einverstanden, sich auf den Rücken zu legen und so zu tun, als wäre Wally Arnold Schwarzenegger auf Barbituraten, was verhindern sollte, dass er zu schnell kam.
»Das Einzige, was verhindert, dass ich zu schnell komme, ist, das Ding zu finden«, sagte Wally. »Als würde man in einer regnerischen Nacht ohne Taschenlampe den Oak Creek Canyon runtergehen. Hast du überhaupt noch ’ne Muschi? Der Chirurg hat dir doch wohl bei der Hysterektomie keine Totaloperation gemacht?«
Schließlich fand er, wonach er gesucht hatte. Jedenfalls dachte er das. Tante Joan korrigierte ihn.
»Arschloch!«, kreischte sie. »Verdammt noch mal, bist du geisteskrank, dass du’s hintenrum mit mir treiben willst? O nein, kommt nicht in die Tüte, Wally Immelmann. Ich lass mich doch von dir nicht zum Analverkehr nötigen. Wenn du das machen willst, such dir ’n Kerl, der auf so was steht. Mir geht das jedenfalls am Arsch vorbei.«
»Analverkehr? Ich wollte doch keinen Analverkehr haben«, widersprach Wally, ehrlich empört. »Wir sind jetzt so viele Jahre verheiratet, dreißig Jahre, hab ich vielleicht in dreißig verdammten Jahren schon mal versucht, dich zum Analverkehr zu nötigen?«
»Ja«, sagte Tante Joan verbittert, »das hast du, und ich weiß es auch. Dr. Cohen sagt, das ist …«
»Dr. Cohen? Du hast Dr. Cohen erzählt, ich hätte mit dir Analverkehr gehabt? Das glaub ich nicht. Das kann nicht sein!«, schrie Wally. »Du sagst Dr. Cohen … o Gott.«
»Das musste ich ihm nicht sagen. Er hat schließlich Augen im Kopf. Das konnte er ganz allein sehen, und er war angewidert. Er sagt, es ist unsittlich. Und da hat er Recht.«
Wally wollte keinen mehr wegstecken. Er saß kerzengerade auf dem extrabreiten Bett.
»Unsittlich? Das ist Blödsinn. Wenn es unsittlich und gesetzlich verboten ist, wieso tun es dann Schwule andauernd, und wir haben eine Aids-Epidemie?«
»Nicht das Gesetz. Das Gesetz Gottes. Dr. Cohen sagt, es steht in der Bibel. ›Du sollst nicht …‹«
»In der Bibel? Was weiß Dr. Cohen von der Bibel? Glaubt dieser Itzig aus New Jersey vielleicht, die Juden hätten die Bibel
Weitere Kostenlose Bücher