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Der Einfaltspinsel

Der Einfaltspinsel

Titel: Der Einfaltspinsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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Kerl auch nicht, stimmt’s? Er hat ihn abgeschüttelt.«
    »Abgeschüttelt?«, wiederholte die Schwester und sah ihn seltsam an. »Was meinen Sie damit, er hat ihn abgeschüttelt?«
    Wilt musterte sie noch kläglicher. »Den Drang des Ird’schen abgeschüttelt«, sagte er.
    »Den Drang des Ird’schen abgeschüttelt? Was schwafeln Sie denn da?«
    Wilt ließ sich Zeit. Offensichtlich kannte die Schwester ihren Shakespeare nicht.
    »Ist abgenibbelt, Herrgott noch mal. Hat den Löffel abgegeben. Ist über den Jordan gegangen. Guckt sich die Radieschen von unten an. Hat die Reise in die ewigen Jagdgründe angetreten. Ist gestorben.«
    Die Schwester sah ihn an, als wäre er wirklich verrückt geworden. Verrückt geworden oder im Delirium.
    »Seien Sie nicht albern. Ihm fehlt gar nichts. Der Herzmonitor ist kaputtgegangen.«
    Und mit einer Bemerkung über »manche Leute« ging sie weiter. Wilt spähte Richtung Tür und sah mit leichtem Bedauern, dass der Mann immer noch friedlich schlief. Nach einer, wie es ihm vorkam, Ewigkeit schlief auch er ein. Zwei Stunden später wurde er geweckt und sofort von einem Arzt untersucht.
    »Auf welchen Drogen sind Sie?«, fragte er.
    Wilt sah ihn ausdruckslos an. »Ich habe mein Lebtag noch nie Drogen genommen«, murmelte er.
    Der Arzt schaute in seine Notizen. »Hier steht was anderes. Laut Schwester Brownsel waren Sie nachts auf irgendeinem Stoff. Na ja, das finden wir rasch durch einen Bluttest heraus.«
    Wilt schwieg. Ab sofort litt er wieder unter Amnesie, und da er sich wirklich nicht erinnerte, was mit ihm passiert war, täuschte er niemanden. Dennoch machte er sich immer noch Sorgen. Er musste herausfinden, was los gewesen war.

    Eva traf in Begleitung von Mavis Mottram im Krankenhaus ein. Sie mochte Mavis zwar nicht, aber die war eine dominante Persönlichkeit und ließ sich von keinem etwas gefallen. Von Anfang an erfüllte Mavis ihre Hoffnungen.
    »Name«, schnauzte sie die junge Frau an der Aufnahme an und zückte ein Notizbüchlein. »Name und Adresse.«
    »Weshalb wollen Sie die haben?«
    »Um Sie dem Verwalter zu melden, weil Sie vorsätzlich Mrs. Wilt hier an die Psychiatrie verwiesen haben, obwohl Sie sehr wohl wussten, wo sich ihr Mann befand.«
    Die junge Frau sah sich hektisch um. Nur weg von diesem Monster.
    Mavis fuhr fort: »Zufällig bin ich Ratsmitglied«, sagte sie, ohne zu erwähnen, dass sie nur dem Kirchenrat angehörte und nicht dem Stadtrat, »außerdem bin ich mit Dr. Roche zufällig ausgesprochen gut bekannt.«
    Die Arzthelferin erbleichte. Dr. Roche war der leitende Oberarzt und ein sehr wichtiger Mann. Ihr wurde klar, dass sie Gefahr lief, ihre Arbeit zu verlieren. »Mr. Wilt war nicht eingetragen«, nuschelte sie.
    »Und wessen Schuld war das? Natürlich Ihre«, fauchte Mavis und schrieb etwas in ihr Notizbuch. »Also, wo ist Mr. Wilt?«
    Die Frau an der Anmeldung sah ihre Unterlagen durch und telefonierte. »Hier ist eine Frau …«
    »Eine Dame, wenn’s recht ist«, zischte Mavis.
    Hinter ihr staunte Eva über Mavis Mottrams Autorität.
    »Ich weiß nicht, wie Sie das machen«, sagte sie. »Wenn ich es probiere, klappt es nie.«
    »Das ist schlicht und einfach eine Frage der Herkunft. Meine Familie kann ihre Vorfahren bis zu Wilhelm dem Eroberer zurückverfolgen.«
    »Wer hätte das gedacht. Und dabei war Ihr Vater doch Klempner«, sagte Eva, aus deren Stimme leichte Skepsis sprach.
    »Und zwar ein sehr guter. Was war Ihr Vater?«
    »Mein Daddy starb, als ich noch klein war«, sagte Eva traurig.
    »Ganz recht. Was Barkeeper häufig tun. Vom Trinken.«
    »Gar nicht wahr. Er starb an Pankreatitis.«
    »Und wie bekommt man Pankreatitis? Indem man eimerweise Whisky und Gin in sich reinschüttet. Mit anderen Worten, indem man Alkoholiker wird.«
    Bevor sich das Geplänkel zu einem heftigen Streit ausweiten konnte, griff die junge Frau an der Aufnahme ein. »Mr. Wilt wurde in die Geriatrie 5 verlegt«, informierte sie die beiden.
    »Sie finden ihn im zweiten Stock. Durch diesen Flur hier gelangen Sie zum Aufzug.«
    »Das will ich hoffen«, sagte Mavis, und die beiden stiefelten los. Fünf Minuten später hatte Mavis die nächste Auseinandersetzung, diesmal mit einer ausgesprochen stämmigen Krankenschwester, die ihnen den Zutritt verweigerte, weil gerade keine Besuchszeit sei. Selbst Mavis Mottrams Insistieren, Mrs. Wilt sei Mr. Wilts Frau und berechtigt, ihn jederzeit zu sehen, half nichts. Letztendlich blieb den beiden nichts anderes übrig,

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