Der Einfaltspinsel
von … nun ja, von oben. Man könnte genauso gut sagen vom Büro des Allmächtigen persönlich, sprich, des Innenministers. Glauben Sie mir, die Berichterstattung in den Medien gefällt dem Presseamt überhaupt nicht. Dort ist man genauso interessiert daran zu erfahren, wo er steckt, wie wir, und ich habe den Eindruck gewonnen, dass man nicht unglücklich darüber wäre, wenn der Drecksack tot wäre. Dann müsste man diesem Arsch nicht den Stuhl vor die Tür setzen.«
Als der Hauptkommissar ging, hatte er die Erlaubnis erhalten, einen Durchsuchungsbefehl zu beantragen und alle vernünftigen Maßnahmen zu ergreifen, die er für sinnvoll hielt.
Zu diesen Maßnahmen gehörte, das Telefon der Rottecombes anzapfen zu lassen. Dadurch hatte er nun erfahren, dass die grässliche Ruth Rottecombe immer und immer wieder die Wohnung ihres Mannes in London angerufen hatte, genau wie seinen Club und das Parteibüro, aber niemand hatte ihn gesehen.
28
Als sie endlich Geriatrie 3 fanden – in Geriatrie 5 war Wilt nicht gewesen –, hatte Mavis Mottram die Nase voll. Genau wie Eva. Am Eingang zur Station stellte sich ihnen eine stämmige Krankenschwester in den Weg.
»Tut mir Leid, aber Sie können ihn noch nicht besuchen. Dr. Soltander untersucht ihn gerade«, sagte sie.
»Aber ich bin seine Frau«, krächzte Eva.
»Sehr gut möglich. Aber …«
Mavis griff ein. »Zeigen Sie ihr Ihren Führerschein«, blaffte sie. »Das beweist, wer Sie sind.« Während Eva ihre Handtasche durchwühlte, wandte sich Mavis an die Schwester. »Sie können die Adresse vergleichen. Vermutlich kennen Sie die von Mr. Wilt.«
»Aber natürlich. Sonst wüssten wir ja nicht, wer er ist.«
»Wenn das so ist, warum haben Sie dann nicht Mrs. Wilt angerufen, um ihr mitzuteilen, dass er sich hier befindet?«
Die Schwester gab es auf und ging ins Behandlungszimmer.
»Seine Ehefrau und eine andere schauderhafte Frau verlangen, ihn zu besuchen«, berichtete sie dem Arzt.
Dr. Soltander seufzte. Er führte ein schweres Leben und musste sich um genug todkranke alte Menschen kümmern, da konnte er auf Unterbrechungen durch Ehefrauen und andere grauenhafte Frauen verzichten. »Richten Sie ihnen aus, ich brauche noch zwanzig Minuten«, sagte er. »Dann kann ich eventuell eine treffendere Prognose abgeben.«
Doch die Schwester wollte sich nicht wieder auf einen Clinch mit Mavis Mottram einlassen. »Das sagen Sie ihnen am besten selbst. Auf mich hören sie nicht.«
»Na schön«, murmelte der Arzt gefährlich ruhig und trat hinaus in den Flur. Er sah sofort, was die Schwester mit »zwei schauderhafte Frauen« meinte. Eva war leichenblass, schluchzte und verlangte, ihren Henry zu sehen. Dr. Soltander wies darauf hin, dass Wilt bewusstlos und nicht in einem Zustand war, um Besuch zu empfangen, womit er Mavis Mottrams Unmut erregte.
»Sie ist juristisch gesehen berechtigt, ihren Mann zu besuchen. Sie dürfen sie nicht aufhalten.«
Die Miene des Arztes verfinsterte sich. »Wer sind Sie denn?«
»Mrs. Wilts Freundin, und ich wiederhole, Mrs. Wilt steht es zu, ihren Mann zu besuchen.«
Dr. Soltanders Augen verengten sich zu Schlitzen. »Nicht während ich auf Visite bin«, blaffte er. »Sie darf ihn besuchen, sobald ich fertig bin.«
»Und wann wird das sein? In vier Stunden?«
»Weder Sie noch sonstwer unterzieht mich hier einem Kreuzverhör. Und jetzt bringen Sie Ihre Freundin freundlicherweise ins Wartezimmer, während ich mich vergewissere, dass meine Abwesenheit keine vorzeitigen Todesfälle zur Folge hatte.«
»Wohl eher Ihre Anwesenheit«, blaffte Mavis zurück und zückte ihr Notizbüchlein. »Wie heißen Sie? Doch nicht zufällig Dr. Shipman?«
Die Bemerkung hatte nicht die von ihr erwartete Folge. Zwei Folgen, um genau zu sein. Evas grässliches Gejammer erschreckte etliche Patienten in angrenzenden Zimmern und sogar einige in der darüber liegenden Etage. Gleichzeitig beugte sich Dr. Soltander finster lächelnd vor, bis sein Gesicht fast das von Mavis Mottram berührte.
»Führen Sie mich nicht in Versuchung, meine Liebe«, flüsterte er. »Ich freue mich drauf, Sie eines Tages als Patientin zu bekommen.«
Und noch ehe Mavis sich von dem Schock erholt hatte, Nase an Nase mit einem so garstigen Mann gewesen zu sein, machte er kehrt und stapfte zurück auf die Station.
»Wenn Sie nun bitte im Besucherzimmer warten würden. Ich rufe Sie, sobald Dr. Soltander fertig ist«, teilte ihnen die Schwester mit und bugsierte die beiden Frauen
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