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Der Einfaltspinsel

Der Einfaltspinsel

Titel: Der Einfaltspinsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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gezogen worden war. »Nun, besser als vorher.«
    »Vor was?«, sagte Wilt, der Zeit brauchte, um herauszufinden, was Sache war. Fest stand, dass er im Krankenhaus lag und einen Kopfverband hatte, viel mehr stand aber auch nicht fest.
    Dass Flint zögerte, bevor er antwortete, steigerte nicht gerade Wilts Zuversicht, dass er unschuldig war. »Bevor diese Sache passierte«, sagte er schließlich.
    Wilt überlegte. Er hatte keine Ahnung, was passiert war.
    »Das kann ich nicht behaupten«, erwiderte er. Es schien ihm eine vernünftige Antwort auf eine Frage zu sein, die er nicht verstand.
    Inspektor Flint sah das ganz anders. Allmählich entglitt ihm der Gesprächsfaden, und wie immer bei Wilt gleitete der in einen Sumpf von Missverständnissen. Der Arsch sagte nie etwas geradeheraus. »Wenn Sie sagen, Sie könnten es nicht behaupten, was genau meinen Sie damit?«, fragte Flint und rang sich erneut ein Lächeln ab. Was auch nicht half.
    Wilts Argwohn verstärkte sich beträchtlich. »Genau das«, sagte er.
    »Und ›genau das‹ bedeutet?«
    »Was ich sagte. Genau das«, erwiderte Wilt.
    Wieder verschwand Flints Lächeln. Er beugte sich vor.
    »Hören Sie, Henry, ich will nur wissen …«
    Weiter kam er nicht. Wilt hatte sich ein neues Ausweichmanöver ausgedacht. »Wer ist Henry?«, fragte er plötzlich.
    Aus Flints Miene sprach neuer Zweifel, und er beugte sich nicht weiter vor. »Wer ist Henry? Sie wollen wissen, wer Henry ist?«
    »Ja. Ich kenne keine Henrys. Außer natürlich Könige und Fürsten, und die ja wohl nicht persönlich, stimmt’s? Bin noch keinem begegnet, und dabei wird’s wohl auch bleiben. Haben Sie schon mal einen König oder einen Fürsten kennen gelernt?«
    Einen Moment lang zeichnete sich auf der Miene des Inspektors kein Zweifel mehr, sondern Gewissheit ab. Doch das änderte sich sofort wieder. Bei Wilt war nichts gewiss, und selbst das war unter diesen Umständen zweifelhaft. Wilt war die personifizierte Ungewissheit. »Nein. Ich bin noch keinem König oder Fürsten begegnet und will das auch gar nicht. Ich will nur wissen …«
    »Das sagen Sie jetzt zum zweiten Mal«, warf Wilt ein. »Und ich will wissen, wer ich bin.«
    In diesem Augenblick schob sich Eva in das Zimmer. Sie hatte lange genug gewartet und wollte nicht weitere zwei Stunden in diesem ekelhaft schmutzigen Warteraum verbringen. Sie stellte sich an die Seite ihres Gatten.
    »O Liebling, hast du schreckliche Schmerzen, mein Engel?«
    Innerlich fluchend, schlug Wilt die Augen auf. »Was geht Sie das an? Und wen nennen Sie überhaupt ›Liebling‹?«
    »Aber … o mein Gott! Ich bin doch deine Eva, deine Frau.«
    »Frau? Was soll das heißen? Ich habe keine Frau«, stöhnte Wilt. »Ich bin … ich bin … ich weiß nicht, was ich bin.«
    Im Hintergrund stimmte ihm Inspektor Flint vorbehaltlos zu. Er wusste auch nicht, was Wilt war. Er hatte es nie gewusst und würde es nie wissen. Am nächsten war er diesem Geheimnis mit der Erkenntnis gekommen, dass Wilt der verschlagenste Mistkerl war, den er in all seinen Jahren als Polizist kennen gelernt hatte. Bei Eva, die inzwischen reichlich Tränen vergoss, wusste man genau, wo man stand. Oder lag. Ganz unten im Stapel. In der Hinsicht hatte Wilt die Wahrheit gesagt. Zuerst kam die Familie mit diesen grässlichen Vierlingen; an zweiter Stelle kam Eva samt ihren materiellen Besitztümern – oder, wie es Wilts Anwalt einmal formuliert hatte, »als würde man mit einer Geschirrspülmaschinen-Staubsaugerkombination zusammenleben, die denkt, sie könne denken« –, und schließlich die gerade aktuelle Marotte oder das neueste angeblich philosophische Geschwafel, das ihr zu Ohren gekommen war. Sogar Greenpeace war ihre Militanz zu viel geworden. Als der Leiter der Robbenschlachtstation in Worthcombe Bay vor Gericht aus seinem Rollstuhl gegen sie ausgesagt hatte, erklärte er, wenn sie Greenpeace vertrat, schauderte ihm bei dem Gedanken, was Greenwar wohl für eine Organisation sei. Ja, der Mann hatte sich einer so unflätigen Sprache bedient, dass nur seine Verletzungen den Richter davon abhielten, ihn wegen Missachtung des Gerichts festnehmen zu lassen. Und endlich, an unterster Stelle des Stapels, kam Mr. Henry Wilt, gesetzlich angetrauter Ehemann von Mrs. Eva Wilt, der arme Sack. Kein Wunder, dass er sich standhaft weigerte, sie zu erkennen.
    Von diesen Überlegungen abgelenkt wurde Flint durch eine letzte verzweifelte Aufforderung Evas an ihren Henry, sie als seine liebende Ehefrau und

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