Der Einfaltspinsel
Station aufsuchte, stand für Dr. Dedge fest, dass er ein schwer gestörter Mensch war. Wie er Dr. Soltander erklärte, habe das neurologische Trauma bewirkt, dass sich eine partielle Amnesie als erschwerender Faktor eines bereits existierenden depressiven Zustands manifestierte. Und inzwischen war ein Bett in einer Isolierstation frei geworden, weil sich der bisherige Patient, ein wegen eines Drogenvergehens eingewiesener Jugendlicher, aufgehängt hatte. Das hörte Dr. Soltander gern. Er hatte von Wilt die Nase voll, und, was noch wichtiger war, er hatte von Mrs. Wilt die Nase gestrichen voll, die seine Station belagerte und die todkranken Patienten störte.
»Dort sind er und diese verdammten Polizisten am besten aufgehoben.«
»Er ist in der Psychiatrie, stimmt’s? Kann nicht behaupten, dass mich das überrascht«, sagte Inspektor Flint, als er am nächsten Tag herausfand, dass sich Wilt nicht mehr in Geriatrie 3 befand. »Ich finde, man hätte ihn schon vor Jahren für unzurechnungsfähig erklären müssen, als er nämlich die aufblasbare Puppe in das Loch gestopft hat. Egal, ich glaube nicht, dass er auch nur halb so krank ist, wie er tut. Ich glaube, er verschweigt etwas. Mir hat gar nicht gefallen, wie er sich aufgeführt hat, als ich da war.«
»Wie denn, Sir?«, wollte Sergeant Yates wissen.
»Dass er so tat, als wisse er nicht, wer er ist und als habe er mich in seinem ganzen Leben noch nie gesehen. Blödsinn, Yates, totaler ausgemachter Blödsinn. Und Eva Wilt kennt er auch nicht? Das kann er doch seiner Großmutter erzählen. An die würde er sich noch erinnern, wenn man ihm sein halbes Gehirn rausoperiert hätte. Mrs. Wilt ist niemand, den auch nur ein gehirngeschädigter Komapatient vergessen könnte. Nein, unser Henry hat sie verarscht. Und mich auch. Warum, Yates, warum? Verraten Sie mir das.«
Doch das konnte der Sergeant nicht. Er hatte immer noch seine Probleme mit dem »gehirngeschädigten Komapatienten« und überlegte krampfhaft, wie man im Koma liegen konnte, ohne irgendeinen Hirnschaden davonzutragen. Das ergab keinen Sinn. Andererseits ergab die Hälfte von dem, was Inspektor Flint zurzeit Sergeant Yates erzählte, keinen Sinn. Anscheinend wurde er alt oder so was.
»Gibt’s neue Verdächtige drüben im New Estate?«
Der Sergeant schüttelte den Kopf. »Die Gegend steckt voller Junkies und Hooligans; die vielen leeren Hochhäuser. Sie alle zu durchsuchen würde mindestens eine Woche dauern. Außerdem könnten sie weggezogen sein.«
»Stimmt«, bestätigte Flint seufzend. »Wahrscheinlich waren sie völlig stoned und erinnern sich nicht mal mehr, dass sie ihn platt gemacht haben. Ich begreife bloß nicht, warum er keine Hose anhatte.«
»Vielleicht war er auf der Suche nach ein wenig …«, begann Yates.
Der Inspektor unterbrach ihn. »Wenn Sie andeuten wollen, Wilt sei schwul, lassen Sie’s lieber. Nicht dass ich es ihm bei einer Frau wie Eva übel nehmen könnte. Es mit einem Trumm wie der zu treiben kann nicht viel Spaß machen. Wir haben die Kollegen an seiner Berufsschule befragt, und wenn deren Aussagen zutreffen, ist der Mann praktisch homophob. Nein, vergessen Sie die Idee. Der ganze Fall hat etwas Bizarres. Jedenfalls gibt uns der Anruf aus Oston etwas, wo wir ansetzen können. Offenbar geht es bei diesem Fall nicht nur darum, dass Wilt überfallen wurde. Der dortige Hauptkommissar sprach davon, sie wollten eventuell Scotland Yard hinzuziehen, was heißt, dass sie sich mit größeren Fischen befassen. Mit viel größeren Fischen.«
»Ein Herrenhaus abzufackeln ist groß genug. Ich weiß zwar, dass Wilt nicht ganz richtig im Kopf ist, aber das traue ich ihm doch nicht zu.«
»Er hat’s nicht getan. So viel steht fest. Wilt könnte nicht mal ein Lagerfeuer anzünden, geschweige denn ein riesengroßes Haus. Das hätte er garantiert nicht gemacht. Genauso wenig wie seine Klamotten zurückzulassen. So was würde nicht mal Wilt machen. Immerhin gibt es uns so was wie einen Hinweis darauf, wo er gewesen ist.«
Im Büro nebenan klingelte das Telefon. »Ist für Sie«, teilte Yates Flint mit.
Der ging rüber und nahm den Hörer. Zehn Minuten später kehrte er lächelnd zurück. »Wir sind den Fall los. Scotland Yard schickt zwei Beamte her, die Mr. Wilt vernehmen sollen. Ich wünsche ihnen Glück. Das werden sie brauchen, wenn sie glauben, aus diesem Irren irgendwelche Informationen herausholen zu können.«
31
»Die verteufelte Geschichte läuft uns aus dem Ruder«,
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