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Der einsame Baum - Covenant 05

Der einsame Baum - Covenant 05

Titel: Der einsame Baum - Covenant 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Unterarm gegen die Gurgel des Wesens, um es zu erwürgen. Es fuchtelte mit den Armen, konnte Hergrom nicht zu fassen bekommen. Rant Absolain hörte auf zu lachen. Ungläubigkeit strahlte von ihm aus wie ein Geheul. Linden preßte sich an die Kante der Brüstung, als gäbe der schmerzhafte Druck ihr inneren Halt. Ein lautloser Schrei der Ermutigung verzerrte ihren Mund.
    Aber in all ihrer Wildheit entbehrte die Kreatur nicht einer gewissen Schläue. Plötzlich stellte sie das zwecklose Umsichschlagen ein. Ihre Knie knickten vollends ein, als sie sich an den Untergrund kauerte. Dann warf sie sich mit enormer Wucht rücklings gegen den Sandwall. Hergrom konnte nichts dagegen tun. Er geriet zwischen die Sandgorgone und den harten Stein. Ein Zittern wie unmittelbar vor einem Erdbeben lief durch die Mauer. Das Vieh entwand sich Hergroms Griff, und er rutschte zu Boden. Sein Brustkorb war zerschmettert. Einen Moment lang atmete er noch, Blut und Schmerz gurgelten in seiner Brust, die Atmung marterte seine zerrissenen Lungen, sein zermalmtes Herz. Weißlich und gesichtslos wie das Schicksal selbst, betrachtete die Sandgorgone ihn, als überlege sie, wie sie ihm den Rest geben solle. Dann zwängten Zuckungen einen dunkelroten Blutschwall aus Hergroms Mund. Linden sah die Stränge zerspringen, die Leib und Seele verbanden. Dann lag er still.
    Die Sandgorgone widmete der Mauer einen flüchtigen Blick, als wünsche sie, ihre kurze Freiheit schlösse auch die Erlaubnis zum Zertrümmern des Sandwalls ein. Aber das Vieh hatte seine Aufgabe erfüllt. Es wandte sich ab und kehrte in aufgezwungenem Lauf zurück zum Schrecken der Sandgorgonen. Binnen kurzem war es jenseits der langgestreckten Spur, die es im Sand hinterließ, außer Sicht.
    Aus Lindens Augen rannen Tränen. Sie fühlte, daß in ihr irgend etwas zunichte geworden war; ihre Gefährten bewahrten fassungsloses Schweigen; aber Linden schaute sie nicht an. Ihr Herz holperte wie zum Klang von Hergroms Namen dahin, vermochte nicht davon abzulassen, als hätte es etwas geben müssen, das sie hatte tun können. Sobald ihr Blickfeld von Tränen freigezwinkert war, sah sie, daß Rant Absolain sich zu entfernen begonnen hatte, begleitet von seinen Frauen und Wächtern. Sein Prusten verklang im Sonnenschein und der trockenen, weißlich-glutheißen Hitze.
    Kasreyn war nirgends auf dem Sandwall zu sehen.

17
     

ENDE DER SCHARADE
     
     
    Für eine Zeitlang, in der Linden auf das Geschehene so wenig eine Antwort wußte wie auf Lähmung, verharrte sie in völliger Reglosigkeit. Kasreyns Abwesenheit – die Tatsache, daß er nicht geblieben war, um das Auftreten der Sandgorgone bis zum Ende zu beobachten – wirkte auf sie schauriger als die Heiterkeit des Gaddhi. Linden wußte, daß es sich Erfordernissen zu widmen galt, Entschlüsse gefällt werden mußten; aber sie war nicht dazu in der Lage, sich über ihre Art klarzuwerden. Hergroms Name pochte in ihrem Pulsschlag und machte sie für alles andere taub. Fast hätte sie laut aufgeschrien, als Covenant, wie um ein Omen auszusprechen, »Rühr mich nicht an!« sagte.
    Cail hatte sie losgelassen; aber sie spürte noch die Abdrücke seiner Finger an ihrem Oberarm, in dem es wummerte wie in einem Echo ihres Herzschlags. Er hatte seine unbeugsame Härte ihrem Fleisch eingedrückt, ihren Knochen aufgeprägt.
    Schließlich rührte sich die Erste. Sie trat vor Rire Grist. Die Trübung ihrer Augen ließ sie aussehen wie eine Blinde. Sie sprach in heiserem Flüsterton, als sei es ihr unmöglich, ihre Empfindungen auf andere Weise zu bändigen. »Verschaff uns Seil!«
    Die Miene des Caitiffin spiegelte Grausen wider. Allem Anschein nach war er ehrlich entsetzt über Hergroms Schicksal. Vielleicht hatte er noch nie eine Sandgorgone wüten gesehen. Oder womöglich hatte er begriffen, es konnte auch ihm passieren, daß er eines Tages seine Herren verdroß und man ihm zur Strafe einen Namen des Grauens in den Geist pflanzte. In seinen Brauen hing Schweiß, und seine Stimme klang gepreßt, als er einem der Hustin einen entsprechenden Befehl zumurmelte. Der Wächter kam der Anweisung nur langsam nach. Der Caitiffin schnauzte ihn an, als bräche sich bei dieser Gelegenheit aus seinem Innern ein Schrei Bahn, und der Husta stapfte hastig davon. Wenig später kehrte er zurück, brachte eine zweite Rolle widerstandsfähigen Seils. Sofort nahmen Blankehans und Seeträumer sie ihm ab. Mit der geübten Schnelligkeit von Seeleuten befestigten sie das Seil an

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