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Der einsame Baum - Covenant 05

Der einsame Baum - Covenant 05

Titel: Der einsame Baum - Covenant 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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kniff die Lider zusammen, bis der Druck in ihrem Kopf ein Pochen verursachte. Doch ihr waren berufsbedingt gebrochene Knochen vertraut. Die Zertrümmerung von Ceers Knie war für sie eine immerhin begreifliche Sache. Sie wußte, was es zu tun galt. »Ich muß dir zusätzliche Schmerzen zufügen.« Sie vermochte den Jammer ihres Mitgefühls nicht zu unterdrücken. »Entschuldige.« Anhand ihrer Wahrnehmungen orientierte sie sich und erklärte Brinn und Cail, was sie machen sollten; anschließend half sie ihnen dabei. Brinn hielt Ceers Oberschenkel fest. Cail packte Ceers Fußknöchel. Auf Lindens Anweisung zog Cail an dem Bein, streckte das Knie. Dann drehte er das Bein, um die zersplitterten und zerspellten Knochen in eine annäherungsweise normale Position zu rücken. Ceers Atem keuchte durch seine Zähne. Harte Bruchstücke von Knochen schabten aneinander. Scharfe Splitter stachen neue Wunden ins Fleisch rund ums Kniegelenk. Linden spürte alles wie am eigenen Leibe und wollte schreien; aber sie tat es nicht. Sie unterwies Cail in seinen Maßnahmen, drückte widerspenstige Knochensplitter an ihren Platz, stillte den Blutfluß. Ihre Sinne erkundeten die verwüsteten Bereiche der Verletzung, um festzustellen, was als nächstes getan werden mußte.
    Schließlich hatte sie alles unternommen, was unter den gegebenen Bedingungen möglich sein konnte. Kleine Knochenstücke blockierten noch das Gelenk, und die Menisken waren stark angerissen; dagegen jedoch war – ebensowenig wie gegen die geborstenen Blutgefäße, die zertrennten Nerven – ohne chirurgischen Eingriff nichts zu machen. In Anbetracht von Ceers angeborener Widerstandskraft wäre eine Operation theoretisch schon mit einem scharfen Messer durchführbar gewesen. Aber man durfte sie auf keinen Fall hier in diesem unsauberen Sand vornehmen. Linden gab Cail zu verstehen, er möge Ceers Fuß loslassen, und verlangte Material zum Schienen. Einer der Riesen reichte ihr zwei glatte, hölzerne Stangen. Linden schaute sie unwillkürlich an und sah, daß es sich um zwei Stücke eines Speers handelte. Seeträumer hatte bereits eine beträchtliche Länge Seil auseinandergefasert, so daß nun eine dünne Kordel verfügbar war, um die Schienen festzubinden. Einen Moment lang nahm Linden sich noch zusammen. Mit Cails Hilfe schiente sie das Bein. Dann entfernte sie den Stoffstreifen, mit dem sie es zuvor abgebunden hatte.
    Danach aber war ihre innere Not endgültig zu groß, um weiter unterdrückt werden zu können. Unbeholfen begab sie sich von Ceers Schmerzen auf Abstand. Sie setzte sich mit dem Rücken an den Sandwall, schlang die Arme um die Knie, verbarg darauf ihr Gesicht und versuchte, sich durch Schaukelbewegungen allmählich wieder ganz in die Gewalt zu bekommen. Ihre zerrütteten Nerven heulten wie verirrte Kinder; und sie wußte nicht, wie sie noch länger durchhalten sollte. Nebelhorns Pein hatte ihr kein derartiges Leid bereitet. Für seinen Unfall war sie allerdings nicht verantwortlich gewesen, wenn auch die Schuld an Covenants Zustand damals schon ebenso auf ihr lastete wie heute. Und damals hatte sie sich von allem noch nicht so betroffen gefühlt, der Suche, ihrer eigenen Rolle, von dem, was sie tat – der mit gerissener Genauigkeit bestimmten Isolierung und Entblößung, von der der Gibbon-Wütrich ihr gesagt hatte, sie würden sowohl sie wie auch die Welt zugrunde richten. Ceers Schmerz zeigte ihr, wieviel ihrer selbst sie bereits verloren hatte. Doch während sie sein Unheil beklagte, erkannte sie, daß sie diesen Verlust gar nicht missen mochte. Sie war noch immer Ärztin, unverändert der einen Sache verschrieben, die sie bislang vor der verinnerlichten Finsternis ihres Erbteils geschützt hatte. Und zumindest befand sie sich gegenwärtig nicht auf der Flucht, beschränkte sich nicht aufs Leugnen. Schmerz war nur Schmerz; und nach und nach wich er aus ihren Gelenken. Besser das als Lähmung. Oder die ungestillte Gier, die schlimmer war als Lähmung.
    Also erwiderte sie den Blick der Riesin, als die Erste sich vor sie hinkniete, ihr sachte die Hände auf die Schultern legte. Eine Hand der Ersten hatte unbeabsichtigt eine der Quetschungen gestreift, die von Cails Griff an ihrem Oberarm zurückgeblieben waren. Mit einem Schaudern öffnete sich Linden der Besorgnis der Riesin. Für einen Moment ergänzten Lindens furchtbare Anfälligkeit und die mühsame Zurückhaltung der Ersten einander. Dann richtete sich die Schwertkämpferin auf, zog Linden mit sich

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