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Der einsame Radler: Auf dem Weg von Bremen zum Bodensee (German Edition)

Der einsame Radler: Auf dem Weg von Bremen zum Bodensee (German Edition)

Titel: Der einsame Radler: Auf dem Weg von Bremen zum Bodensee (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter W. Hohenester
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hatte er dabei nicht gedacht. In erster Linie war es ihm ums Helfen gegangen.
    »Soll ich den Preis machen?«
    Er sagte immer noch nichts.
    »Na gut. Sie waren hilfsbereit. Das ist unbezahlbar. Sie haben sich Gedanken gemacht. Das ist auch unbezahlbar. Und sie haben eine halbe Stunde gearbeitet. Sind Sie also einverstanden, wenn ich Ihnen statt dem Zehner lieber einen Zwanziger gebe? Sie können es ja als Spende zur Unterstützung einer Neugründung betrachten.«
    Jetzt lächelte er.
    »Wenn Sie auf der Heimfahrt vom Bodensee hier vorbeikommen, lade ich Sie zu einem Bier ein«, versprach er dann und schüttelte mir die Hand zum Abschied.
    Die Sonne brannte aufs Pflaster. Meine Weiterfahrt war gerettet und dieser Tag auch. Weil ich schon halb in der City war, ging ich gleich ganz hinein. Mein Outfit wollte der momentanen Wetterlage angepasst werden. Die Jeans waren zu warm. Ich fand marineblaue Hosen in Bermudalänge mit sechs Taschen und eine leichtere Kappe, als diejenige, die ich aus Bremen mitgebracht hatte. Dann versorgte ich mich mit Lebensmitteln für die kommenden Pfingsttage. Auf dem Campingplatz legte ich mich in die Sonne, bis ich schwitzend unter ihrem Einfluss auf die Idee kam, in der Lahn nach Erfrischung zu suchen. Hinter den Büschen vor der Lahn hörte ich Lachen und Kreischen. Es gab nur einen schmalen Durchgang. Das Wasser glitzerte im Licht, strudelte um glatt geschliffene Felsen herum, bildete dunkle Wasserlöcher und schoss sich aufbäumend weiße Buckel bildend aus ihnen heraus talabwärts. Am gegenüberliegenden Ufer stand ein Bikini -Mädchen bis zu den Knien im Fluss. Neben dem glitschigen Trampelpfad, den ich mich auf spitzen Steinen hinabtastete, lagen Bierflaschen zum Kühlen in einer Pfütze. Auf einem umgestürzten Baum saß ein Junge und trank aus der Flasche. Ich watete zur Mitte des Flusses. Das Wasser blieb knietief. Ich stemmte hilflos die Arme in die Seiten. Wie sollte ein Mensch hier schwimmen?
    Das Bikini-Mädchen wusste es. »Da oben bei der Weide, da geht, es. Da ist es tief genug.«
    Tatsächlich hatte die Lahn dort einen Pool aus dem Untergrund gespült, der es mir gestattete fünf Schwimmzüge in jeder Richtung zu machen. Das ergab zwar keine sportliche Glanzleistung, aber doch ein wenig Kühlung. Außerdem konnte ich mich von jetzt an rühmen, einer der wenigen Menschen aus Bremen zu sein, die bei Marburg in der Lahn gebadet haben.
    Nachdem ich meine Kräfte zwangsweise geschont hatte, war nun noch genügend Energie übrig, um zum Landgrafenschloss hinaufzuwandern.
    Unterwegs dorthin dachte ich, dass es nicht gelogen wäre, wenn jemand schreiben würde, die Marburger Oberstadt mit ihren steilen Gassen und malerischen Fachwerkhäusern wäre eine der schönsten romantischen Stadtlandschaften Deutschlands.
    Von der Schlossmauer aus konnte ich mich an der weiten Aussicht über Stadt und Tal lange nicht sattsehen. Es gibt Orte, an denen auch ein Skeptiker esoterische Ausdrucksweise und Denkart tolerieren lernt. Ich befand mich hier an einem Punkt der Landschaft, der die Qualität einer Kultstätte zeigte, an einem Platz, an dem sich kosmische Energie zu sammeln schien, ein Energiefeld, auf dem ich mir klein erschien und mich dennoch groß fühlte. Ich nahm mir vor, am Abend noch einmal hierher zurückkehren. Den Blick auf das nächtliche Tal wollte ich mir nicht entgehen lassen.
    Für das Museum im Schloss war es schon zu spät. Bei meinem Rundgang um den Gebäudekomplex traf ich auf eine Gruppe Touristen, die gerade von einem Führer über die Funktion des Hexenturmes und der Folter unterrichtet wurde. Eigenartig, dass sich in der Vergangenheit auch das Böse, die Unvernunft, die Grausamkeit des Hexenwahns hier zentriert hatte. Die Gruppe stieg hinab zu den Kasematten und ich zum Campingplatz. Nach so viel mittelalterlicher Pein und Not verlangten mein Körper und meine Seele nach Ergötzlichem, was ihnen dann in Form von Nahrung und zwei Dosen Radler auch zuteil wurde.
    Nach ausgiebiger Erholungspause lustwandelte, will sagen spazierte ich noch einmal zum Schloss hinauf. Ich war nicht der Einzige, der diese Idee gehabt hatte. Es schien vielmehr eine viel geübte Sitte zu sein im Sommer den Abend hier oben zu beginnen. Vor allem junge Paare hielten die Mauer besetzt. Es war noch hell. Im Tal brannten noch keine Lampen. Ich zog mich von der Mauer zurück, lehnte mich an eine Säule und sprach meinen Tagesbericht in den Recorder. Die Spaziergänger unter den Besuchern wanderten

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