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Der einsame Radler: Auf dem Weg von Bremen zum Bodensee (German Edition)

Der einsame Radler: Auf dem Weg von Bremen zum Bodensee (German Edition)

Titel: Der einsame Radler: Auf dem Weg von Bremen zum Bodensee (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter W. Hohenester
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große ältere Frau vor einer Tasse Tee, steif aufgerichtet, unbeweglich mit versteinertem Gesicht und toten Augen vor sich hinstarrend. Daneben, mit dem Rücken zu ihr ein langer, dünner, schief gewachsener Mann von höchstens dreißig Jahren. Sein Blick ging in die andere Ecke des Raumes, wo vor dem Fenster ein Pärchen tafelte. Der Mann war elegant gekleidet: helles Jackett, blaues Hemd, silbergraue Krawatte. Die Frau ihm gegenüber war klein, und hatte ein asiatisches Aussehen. Vermutlich eine Thailänderin.
    Der gut Gekleidete hob sein Glas mit Rotwein und prostete dem Schiefgewachsenen zu. Er erzählte von mehr oder weniger erfolgreichen Immobiliengeschäften, die er in der näheren Umgebung vermittelt hatte. Das Gesicht des Schiefgewachsenen rötete sich als ihm die Summen, um die es dabei gegangen war zu Ohren kamen. Er hob unbewusst die Hände und seine Finger krümmten sich in gierigem Verlangen. Ein krampfhaftes breites Grinsen verzerrte sein Gesicht. Das schien den Makler an seine Begleiterin zu erinnern. In wütender Alkoholstimmung fuhr er sie plötzlich heftig an:
    »Starr nicht immer auf meine Brieftasche. Da ist kein Geld drin. Nur Rechnungen.«
    Er sprang auf und blieb vor meinem Tisch stehen.
    »Die sind doch hoffentlich bezahlt, diese Rechnungen.« sagte ich.
    Seine Stimmung schlug um. Er lachte mich an.
    »Wir spielen in der gleichen Liga«, stellte er fest und ging zu Tür hinaus. Die kleine Asiatin folgte ihm mit besorgter Miene, wie ein braves Hündchen.
    Vor den Fenstern war die Nacht heraufgezogen. Irgendwo leuchtete gelb eine Straßenlaterne. Ich trollte mich zu meinem Zelt.
                 

Vierzehnter Tag
    Die Nacht war ruhig gewesen - kein Sturm, kein Regen. Ich hatte wunderbar geschlafen. Es war nur wenig Wasser ins Zelt eingedrungen. Ich konnte trocken abbauen.
    Beim Zahlen in der Gaststube erfuhr ich, was mein Begleiter vom Vortag schlecht gefunden hatte an diesem Campingplatz: Es war der Preis.
    Das Doppelte wie der Mann in Lehmbruch am Dümmer verlangte der Schiefgewachsene von mir. Er leckte sich die Lippen, während ein triumphierendes Grinsen sein Gesicht entstellte, als er das Geld rasch in seiner Hosentasche verschwinden lassen wollte. Bei diesem Anblick erwachte der Sadist in mir. Ich verlangte eine Quittung, mit Datum, Unterschrift und allem, was dazugehört. Der Schiefgewachsene vernahm es mit Entsetzen. Seine Gesichtszüge entgleisten. Mit fahlem Gesicht und erloschenen Augen starrte er mich an. Mühevoll und zögerlich holte er das Geld wieder aus der Tasche. Vom Trennungsschmerz noch mehr gekrümmt legte er es, jetzt mit trauriger Miene, in eine Schublade. Dann griff er mit zittrigen Fingern nach seinem Quittungsblock und folgte meinen Anweisungen.
    Nachdem ich so mein Mütchen gekühlt hatte, konnte ich mich für die Möglichkeiten, die dieser Tag zu bieten hatte, erwärmen. Der Weg zeigte sich mir, freundlicherweise, ohne sich lange zu verstecken. Es ging die ganze Zeit durch Wälder und über Höhen. Die Höhen erwanderte ich meist. Ich hatte mir angewöhnt zu schieben, sobald ich im kleinen Gang auf den Pedalen stehend kaum schneller als ein Fußgänger vorankam.
    Das schöne an Steigungen ist, dass sie irgendwann ihrer selbst überdrüssig werden und zu einer Abfahrt mutieren, welche die Mühen des Aufstiegs vergessen lässt. Diesen Vorgang durfte ich an diesem Tag mehrere Male hintereinander erleben. Auch der Himmel war nicht im geringsten weinerlich und behielt standhaft sein schönstes Blau.
    Einmal kam ich vom rechten Weg ab und wurde auf einen Wanderweg geschickt, der sich als sehr viel besser befahrbar erwies als der kiesbedeckte Radweg. Die Götter meinten es heute besonders gut. Sie schickten mir zu allem Überfluss auch noch einen leichten Rückenwind, sodass ich zwar innerlich jubelnd, meiner misstrauischen Natur gehorchend, anfing, nach irgendwelchen möglichen Problemen zu suchen.
    Wenn man auf einem Freiheitstrip wie ich mit dem Fahrrad und der Vorgabe entsprechend, einem nur grobmaschig angelegtem Wegziel in den Tag hinein fährt, hat man zwangsläufig nur zwei Probleme zu lösen:
    1. Wo bekomme ich Proviant?
    2. Wo werde ich mein müdes Haupt niederlegen?
    Punkt 1 erledigte sich an diesem Tag in Limbach. Dort gab es einen Edeka-Laden. Da gab es dann auch ebenso unerwartete, wie überraschende Schwierigkeiten.
    Ich hatte gerade meinen Quark, meine Wurst, das Paket mit Brot und ein Nudelgericht aufs Laufband an der Kasse gelegt, als die

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