Der Einsatz

Titel: Der Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius

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ihr Lieferantennetzwerk aufgeflogen war. Natürlich war es Harry alles andere als unrecht, dass jemand das Lügengeflecht weiterspann, zumal es sich bei diesem Jemand um den britischen Geheimdienst und seine Geschäftspartner handelte. Aber ihm spukten immer noch ein paar Fragen durch den Hinterkopf, und er brauchte ein Weilchen, bis er sie für seine Kollegen in Worte fassen konnte.
    Schließlich erkundigte er sich: «Und was, wenn es doch eine zweite Uhr gibt?»
    «Jetzt kann ich dir leider nicht ganz folgen», sagte Adrian.
    «Was passiert, wenn die Iraner sich eine zweite Uhr zulegen, die ihnen sagt, dass die erste falsch geht. Dass es keineswegs fünfzehn Minuten nach elf ist, wie die erste Uhr behauptet, sondern eine ganz andere Uhrzeit.»
    «Ah! Kluger Bursche», sagte Atwan.
    Der libanesische Finanzier war offenbar schneller von Begriff als Adrian, der immer noch auf der Leitung stand. «Tut mir leid, Harry, ich weiß immer noch nicht, was du meinst.»
    «Was passiert, wenn die Iraner sich eine zweite Messausrüstung zulegen, die sie über andere Kanäle bekommen haben?Eine zweite Möglichkeit zu messen, wie schnell sich die Neutronen innerhalb einer Bombe bewegen oder wie rasch das spaltbare Material in den Kern befördert wird. Wenn sie eine zweite Kontrollinstanz einsetzen, werden sie merken, dass eines der beiden Messergebnisse nicht korrekt ist.»
    «Aber wieso sollten sie sich eine zweite Messausrüstung zulegen?», fragte Adrian. «Das wäre doch völlig sinnlos.»
    «Weil man vielleicht zwei oder meinetwegen auch vier Forschungsteams gleichzeitig an der Sache arbeiten lässt. Was weiß denn ich? Vielleicht auch einfach nur als Ersatz für den Notfall. Um ganz sicher zu gehen. Um sich vor verschlagenen Hunden wie uns zu schützen, die versuchen könnten, ihre Spielchen mit ihnen zu treiben.»
    «Aber mein lieber Mr. Fellows», unterbrach ihn Atwan. «Was, wenn beide Uhren falsch gehen? Oder alle vier, falls es tatsächlich so viele geben sollte. Womöglich zeigen die Uhren alle eine unterschiedliche Zeit an, und keine dieser Zeiten stimmt.»
    «Ist das denn möglich? Haben Sie tatsächlich so viele dieser gruseligen Gerätschaften in den Iran gebracht, um mehrere Forschungsprogramme damit auszustatten?»
    «Ich möchte ja nicht prahlen», erwiderte Atwan und rückte bescheiden seinen Krawattenschal zurecht.
    «Ich glaube, das war ein Ja», bemerkte Adrian Winkler.

    Atwan ließ das Mittagessen in der Bibliothek servieren. Sein Koch hatte das Kunststück fertiggebracht, einen ganzen Lachs zu pochieren, der nun mit jungen Kartoffeln, frischer Petersilie und dicken, englischen Erbsen serviert wurde. DerButler entkorkte eine Flasche Corton von 1978, der von einer Auktion zugunsten des Hospice de Beaune stammte und den eigentümlichen Namen «Docteur Peste» trug. Er brachte den Geschmack des Lachses so gut zur Geltung, als wären beide Aromen zuvor in der Küche miteinander vermischt worden. Doch Harry trank kaum etwas von dem guten Tropfen. Er versuchte immer noch, die Transaktionen im Iran zu begreifen – und sich zu überlegen, wie sie mit Doktor Karim Molavi verfahren sollten, wenn sie endlich Gelegenheit hatten, ihn von Angesicht zu Angesicht zu befragen. Im Lauf des Vormittags hatte er Zutrauen zu Atwan und seinem Urteilsvermögen gefasst oder zumindest einigen Respekt vor dem Ausmaß seiner Verschlagenheit gewonnen. Er wollte seine Meinung hören, und so fragte er ihn.
    «Was sollen Adrian und ich denn nun mit unserem iranischen Wissenschaftler anfangen, wenn wir ihn dann vor uns haben?»
    «Sie schmeicheln mir, mein Lieber, indem Sie mir eine solche Frage stellen.»
    «Ich schmeichele Ihnen keineswegs. Ich brauche Sie. Also, was schlagen Sie vor?»
    «Nun, lassen Sie mich nachdenken.» Atwan schwieg einen Augenblick und setzte dann von Neuem an. «Ich glaube, ich würde ihm drei Fragen stellen. Die erste beträfe seine direkte Umgebung, die zweite sein weiteres Umfeld, und die dritte wäre … sagen wir einmal, universeller Natur.»
    Atwan nahm einen kleinen Schluck von dem Corton. Normalerweise trank er keinen Alkohol, doch für diesen altehrwürdigen und ausgesprochen guten Wein machte er eine Ausnahme. Harry und Adrian warteten, bis er seineGeschmacksnerven und seine Gedanken wieder gesammelt hatte, und Harry zog ein kleines Notizbuch aus der Tasche, um mitschreiben zu können.
    «Beginnen wir also bei der direkten Umgebung», sagte Atwan. «Meine erste Frage an den jungen Mann